Lost in Translation

Bild Vorschau kleinNein, es geht ausnahmsweise mal nicht um die Diskussion über die nationale oder internationale Ausrichtung des Deutschen Jugendliteraturpreises. Obwohl die Fragestellung einen Randbereich des Protestes der Initiative deutschsprachiger Kinder- und JugendbuchautorInnen und IllustratorInnen berührt, den mittlerweile über 500 Personen unterzeichnet haben. Es geht vielmehr um die darin eingeforderte Wertschätzung deutschsprachiger Autorinnen und Autoren in den Kinder- und Jugendbuchverlagen. Was damit gemeint ist? Nehmen wir mal die Carlsen-Programmvorschau Herbst 2013.

Nach dem kunterbunten Durcheinander von Pixi bis Lesefutter, von Beschäftigung bis Pappe, gelangt der geneigte Bucheinkäufer auf Seite 159 (!) endlich ins erzählende Programm. Zuallererst der Top-Titel des Herbstes, ein „,Fluch der Karibik‘-Abenteuer für die Percy-Jackson-Zielgruppe“. Es ist das Debüt eines amerikanischen Autors, als Leseexemplar verschickt und mit sämtlichem Werbematerial vorgestellt auf vier Seiten. Nach Rick Riordan (US-Amerikaner), folgt ein neuer Ulf Stark (Schwede) und Band zwei einer Reihe von Emily Jenkins (US-Amerikanerin). Weiter mit Émile Bravo (Franzose) und Noel Streatfield (Engländerin), bevor – hurra! – der erste deutschsprachige Autor folgt, und das gleich mit einer Doppelseite samt beworbenem Aufsteller für die Buchhandlung! Doch dann die Enttäuschung: Es sind nur die drei schon erschienenen Rico und Oskars von Andreas Steinhöfel, jetzt durchgängig farbig illustriert und im schmucken Schmuckschuber! Ach so. Aber jetzt ist Carlsen aufgewacht, ein Highlight (engl. für Höhepunkt) jagt das nächste. Eine Doppelseite mit einem wunderbaren Hausbuch mit Gedichten folgt, gesammelt von Susan Kreller, illustriert von Sabine Wilharm. Und auf der folgenden rechten Seite fahren musizierende Zwerge eine Schubkarre übers Cover des Liederbuchs für die ganze Familie. Ah ja. Fast hätte man es übersehen. Dazwischen ist ja noch ein Buch angezeigt. Irgendeine deutschsprachige Autorin, offenbar nicht weiter der Rede wert, nur eine Seite, links, ohne Werbemittel oder Zusatzversprechen auf Social-Media-Kampagnen und millionenfache Kontakte. Um welchen Titel es sich handelt? Um den neuen Roman von Tamara Bach, Marienbilder. Schließt man von Carlsens Umgang mit Buch und Autorin auf dessen Qualität, müsste es der schlechteste Text von ihr überhaupt sein, den man als Verlag lieber versteckt als offensiv anbietet, weil man sich dafür ein bisschen schämt. Aber kann das sein? Für eine Autorin, die bislang für jedes ihrer Bücher mindestens eine renommierte Auszeichnung erhalten hat? Ich habe meine Zweifel, auch ohne das Buch schon gelesen zu haben. Danach folgt noch ein Debüt aus England, eine amerikanische Autorin, etwas japanisches, eine Französin, zwei Amerikanerinnen, dann wieder ein auf mehrere Bände angelegtes Debüt aus den USA, fertig.

Was das über die Wertschätzung deutschsprachiger Autorinnen und Autoren sagt? Im Gegensatz zu der vor allem englischsprachiger eine Menge. Oder ist das nur ein Beleg für die Bequemlichkeit von Lektoraten, die lieber mit fertigen fremdsprachigen Büchern arbeiten? Die sich mit dem Lektorat von Originaltexten und der Betreuung von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren schwer tun, weil die ja jederzeit anrufen, nerven und Forderungen stellen könnten? Die lieber einer positiven Rezension in Kirkews Review vertrauen als ihrem eigenen Urteil? Darüber eine Debatte anzustoßen würde sich lohnen. Ich beobachte diese Entwicklung jedenfalls aufmerksam weiter.