Ganz leicht zum Millionär – als Lektor und als Autor!

Mit nervtötender Frequenz ploppen zwei Gesichter auf meinem Social Media-Account auf und versprechen mir in kurzen Werbevideos Mega-Umsatzsteigerungen: Ricardo D. Biron und Evgenij Unker.

Die Ricardo Biron Consulting GmbH verkauft Bücher. Nein, nicht so, wie man denkt. Sie verkauft Bücher an Menschen, die als Autor:in eines mit der Ricardo Biron Consulting GmbH erstellten Buches ihr Business aufrollen. Millionen mit einem Buch heißt einer der Titel, die Ricardo D. Biron selbst geschrieben hat, neben Vom Leser zum Kunden und natürlich Bestseller schreiben (auf amazon von positiven Wertungen weit entfernt). Es ist das Buch, dass keine Fragen offen lässt: „ACHTUNG: Dieses Buch deckt die bislang verborgenen Geheimnisse Deutschlands erfolgreichster Bestseller-Autoren auf!“ Mit Brüller-Erkenntnissen wie „Die 5 Geheimnisse, die alle Bestseller-Autoren gemeinsam hatten“, „Wie Du Dein Buch erfolgreich vermarktest“, „Was die Bestseller-Autoren, die enorm viel Geld verdienen von denen unterscheidet, die fast nichts verdienen“ (das Geld?), „150 Seiten purer Content“ (hä?) und natürlich „Die wichtigsten Fragen für Dich, um in die Umsetzung zu kommen“. Wobei ich persönlich lieber Antworten erwarte, um in die Umsetzung zu kommen.

Aber das Business-Modell scheint zu funktionieren. Mit dem Versprechen „7-stellige Umsätze durch einen Buch-Funnel erzielen (neue Strategie)“ sucht Ricardo mit Marketing-Buzzwords willige Interessenten für ein kostenloses Seminar, in dem er verrät, wie du „Dein eigenes Buch in 12-16 Wochen veröffentlichen kannst“ und darüber „in Podcasts, Interviews, als Speaker auf Bühnen und ins Fernsehen eingeladen wirst“, neben den bis dahin einfließenden 7-stelligen Umsätzen natürlich. Sprich: Ich als selbständiger Immobilienhai, Personal-Trainer, Genossenschafts- oder Stiftungsgründer beauftrage Ricardo Biron, jemand aus seiner Consulting GmbH unterhält sich mit mir und dann wird daraus im Handumdrehen ein „Hi, so hab ich es gemacht und bin auf dem Weg zu unendlichem Reichtum – und du kannst das auch!“-Tschacka-Buch. Daran verdienen tut erst mal nur einer: der Ricardo.

Nicht gleich Millionen verspricht Evgenij Unker vom Lektorat Unker, sondern nur doppelt so viel zu verdienen, als freier „Lektor, Korrektor, Redakteur“ (obwohl die drei dahintersteckenden Berufe nur geringe Schnittmengen aufweisen), wenn man nur seine Kurse besucht: „Das Ziel des Profikurses besteht darin, dass du als freier Lektor, Korrektor oder Redakteur deinen Stundensatz mindestens verdoppelst. (Da sehe ich Verlage sich lachend auf die Schenkel klopfen, wenn jemand nach Seminarabschluss das versuchen sollte). Denn Evgenij ist „Textprofi und Lektorenausbilder“. Mit selbst erstelltem, seriös wirkendem Zertifikat, denn ein definiertes Berufsbild eines Lektors gibt es ja nicht. Dementsprechend ist Lektorenausbilder ein ebenso frei erfundener Titel. Und wer will das nicht, „Lass dich fürs Lesen bezahlen“. Interessiert? Dann schnell das Gratis-Video „Schnellstart-Anleitung freies Lektorat“ angeklickt, und schon sprudeln die Aufträge. Klar, Evgenij weiß, wie du Ziele erreichst und kennt die Antworten auf Fragen wie: „Wie kannst du deine Lebenskosten komplett mit deiner Leseleidenschaft decken?“, oder „Wie kannst du deine Einnahmen im freien Lektorat auf 3.000,00 Euro im Monat oder mehr steigern?“, man beachte die sorgfäligen zwei Kommastellen. Und schon gewinnst du „in 2 Wochen neue Kunden als freier Lektor und deckst in 2 Monaten deine Lebenskosten“. Großartig!

Um sich stetig fortzubilden, bleibt es nicht bei kostenlos. 2,5 Stunden Onlineseminar „Stil für Textprofis“ kosten dann als Aufzeichnung 200 Euro. Man muss dafür aber nicht das Seminar „Texte kürzen und stilistisch optimieren“ besucht haben, immerhin.

Was ich sagen will: Hier reiten zwei ein Business-Modell, das keinesfalls so selbstlos daherkommt, wie es scheint und es sich viel zu simpel macht. Bücher schreiben und veröffentlichen ist pipieinfach und Lektor:innen sind Menschen die gern lesen und sich zukünftig dafür bezahlen lassen wollen. Beides ist Quatsch. Bücher, die bei Biron entstehen, brauchen nur die wenigsten Menschen. Und eine Ausbildung allein öffnet noch lange nicht die Türen, um als erfolgreiche freie Lektor:in, Korrektor:in oder Redakteur:in zu arbeiten. Das wissen die meisten freien Lektor:innen, Korrektor:innen und Redakteur:innen.