Anke, du Bauernopfer!

Die selbsternannten Meister Propper der Kinderbuchwelt mit Landwirtschaftshintergrund haben mal wieder zugeschlagen. Aktuelles Opfer des wütenden Trekker-Mobs: Anke Engelke. Ach, die schreibt Kinderbücher? Ja, ausnahmsweise. Denn der Thienemann Verlag hatte sie angefragt, ob sie sich vorstellen könne, zum 100. Geburtstag der Original-Häschenschule von Albert Sixtus und dem Illustrator Fritz Koch-Gotha eine nigelnagelneue Häschenschulen-Geschichte zu erzählen. In Versen selbstverständlich. Konnte sie. Das Ergebnis ist jetzt wenig einfallsreich mit Die neue Häschenschule betitelt. Und mit gefälligen Bildern von Mareike Ammersken versehen.

Das Bilderbuch ist nett gemeint und nett gemacht und auf den ersten Blick keinerlei große Aufregung wert. Die Geschichte ist relativ banal: Der neue Schüler in der Häschenschule ist Brehm, der Fuchs. Ein netter, denn:

Es stellt sich raus, Brehm ist ganz lieb,
kein Hühner- oder Hasendieb.
Im Gegenteil: Er lebt vegan
und Möhren haben’s ihm angetan!

Eine Gefahr für Leib und Leben stellen dagegen andere Dinge dar, sichbtbar auf einer Warnschildsammlung im Klassenzimmer:  Gift, Mähmaschinen, Jäger, der Mensch ganz allgemein. Und siehe da, beim Herumtollen durchs hohe Gras wird Häsin Hoppich beinahe vom Mähdrescher erwischt. Doch die Geschichte geht zum Glück noch mal gut aus.

Das klingt harmlos und nach kleiner Freundschaftsgeschichte. Wenn es da nicht die beiden Triggerpunkte für Wutbürger in Gummistiefeln gäbe. Denn es ist doch klar: Die Bauern werden als Feldvergifter und Tiermassakrierer  ­– mal wieder – verunglimpf. Und das Zweite ist der vegane Fuchs, der sich ja ansonsten hauptsächlich von schulpflichtigen Hasen ernährt, ja geht’s noch?

Falls der notorische 1-Punkte-weil-0-Punkte nicht-gehen-Bewerter bei amazon und Co. noch nicht so genau weiß, worauf er sich zu stürzen hat – die Süddeutsche Zeitung (hinter der Bezahlschranke) half gerne nach. Das große Interview wurde in der Ausgabe vom 30. Januar mit Anke Engelke als Titelheldin und dem reißerischen Teaser samt Abschlusssatz angekündigt: „Anke Engelke hat eine neue „Häschenschule“ gedichtet – ein Gespräch über böse Bauern und vegane Füchse.“ Das sitzt wie eine Ackerfurche.

Journalistisch mehr als zugespitzt bezieht sich der Satz auf folgende Frage und Antwort:

„Ihr wichtigster Eingriff bei der „Häschenschule“ ist, dass der Fuchs nicht mehr der Feind ist. Das sind die Bauern, die mit Gift arbeiten und gefährlichen Maschinen. Warum so pädagogisch?
Damit habe ich sehr gehadert. Dem Team vom Verlag war wichtig, dass es auch in der neuen Version einen Konflikt oder eine Gefahr gibt. Also haben wir entschieden, die frische Freundschaft von Hase und Fuchs ins Gefahrenzentrum zu packen. …“

nämlich der Gefahr, die von einem Mähdrescher ausgeht, von dessen Kanzel aus nicht zu sehen ist, was da im Gras spielt oder kauert. Aber Frage und Wortwahl suggerieren, als hätte der Verlag Anke Engelke gezwungen, den veganen Fuchs und die bösen Bauern reinzuschreiben, beinahe gegen ihren Autorinnenwillen. Aus dem Verlag heißt es hingegen, es sei anders gewesen. Es ging um die Dramaturgie, die Gefahr und Rettung, an dem Verlag und Autorin gefeilt haben, nicht um die genannten Punkte. Aber das wird im Interview einfach weggemäht.

Und schon haben die übelmeinenden Menschen ihr Futter und kotzen sich auf amazon und der kinderbuchcouch und anderen Plattformen aus.

„Ich denke Anke Engelke wollte mit diesem Buch Migration positiv vermitteln. Ein ambitioniertes Ziel, was auch wertzuschätzen ist. Aber in diesem Fall gründlich daneben gegangen. Ein Fuchs ist ein Beutegreifer und auch kein Streicheltier.“

Im Kontext einer Häschenschule mit anthropomorphen Figuren ist es natürlich irrational, aus dem hasenmordenden Beutegreifer einen veganen Fuchs zu machen, schon klar. Dafür gibt es in echt ja seit Jahrzehnten schon Enten, die Milliardäre sind, eine Biene, die spricht und Esel, Hund, Katze und Hahn, die aufeinandergestapelt singen. Und Migration ist auch falsch, da Hase und Fuchs schon immer Bewohner eines Reviers waren.

„Ganz grosse Klasse wenn schon unsere kleinsten mit Hass und Intoleranz belästigt werden.“

Worauf auch immer sich das bezieht, ganz sicher nicht auf dieses Buch und diese Geschichte, sondern auf rechte Remigrations-Schwafler?

„Finde es Krass und erschreckend was aus dem organal gemacht wurde.
Das ist wieder ein Kinderbuch der grünen
Finger weg !!!“

sagt lustigerweise die Hühner Diebin. Und man sucht verzweifelt den Hinweis auf die Grünen in diesem Buch. Zumal nicht mal klar wird, ob der der Mähdrescher aus dem konventionellen oder dem biologischen Landbau entstammt. Ach egal, hauptsache Grün ist blöd und Bauern gut.

„Das Buch vermittelt falsche Botschaften an die Kinder. Ein Fuchs wird niemals Veganer! Der Bauer ist böse und tötet die süßen Hasen – bitte bei der Realität bleiben.“

So wie im Original ja die kleinen Hasen das Bemalen von Ostereiern lernen, das ist die richtige Botschaft, na klar, und der Weihnachstmann bringt die Geschenke.

Und unter dem Stichwort „Bauernbashing“ heißt es dann weiter:

„Bauern vergiften die Umwelt, Jäger schießen süße Tiere tot und Mähdrescher sind gefährliches Teufelszeug. (…) Nicht wundern, wenn es einen Rechtsruck in Deutschland gibt!“

Na klar, alles Lüge, Glyphosat kann man auch als Kaffeeweißer benutzen, Jäger streicheln qua Amt nur Tiere in Streichelzoos und wenn sie Tiere schießen, dann nur scheußliche, niemals süße, und Mähdrescher dürfen auch durch Spielstraßen fahren. Wenn das mal kein Rechtsruck ist!

Leute, wenn ihr keine Lust habt, könnt ihr die Bücher nicht einfach denen überlassen, die sich darauf freuen? Das würde uns viel ersparen.

P.S.: Dem Verkauf schadet es übrigens nicht, wenn vor Büchern gewarnt wird. Im Gegenteil.