Die grüne Gattin des Gehirnwäschers

Dr. phil. Andrea Paluch ist Autorin und Übersetzerin. Sie studierte Literaturwissenschaft sowie Linguistik und Englische Philologie und promovierte zum Thema Selbstreferentailität in der zeitgenössischen britischen Lyrik an der Universität Hamburg. Sie übersetzte Autor:innen wie Paul Auster und Ted Hughes, schrieb einen historischen Roman und mehrere Kinder- und Jugendbücher, veröffentlichte Anthologien und verfasste Drehbücher. Anders gesagt: Eine Autorin, die ‘ne ganze Menge auf dem Kasten und ein umfangreiches Werk vorzuweisen hat.

Das alles fällt bei der aktuellen medialen Entrüstung um ihr 2021 erschienenes Kinderbuch Die besten Weltuntergänge (Illustriert von Annabelle von Sperber, bei Klett Kinderbuch) nicht ins Gewicht. Selbst FAZ-Redakteur Tilman Spreckelsen war es in seinem Kommentar nur die kleine Erwähnung wert, dass Andrea Paluch schon 2001 den Roman Hauke Haiens Tod publizierte, ohne auf das Dutzend Kinder- und Jugendbücher von ihr einzugehen, das erste ebenfalls 2001 verlegt: Jagd auf den Wolf bei C. Bertelsmann, ein Kinderbuch ab 10.

Nein, das eigene Schreiben, die eigene Biografie fällt weg, weil es sich bei Dr. Andrea Paluch um die Frau von Robert Habeck, ja, DEM Habeck, handelt. Und er derjenige war und ist, mit dem zusammen sie die meisten Gedichte, Übersetzungen und Romane für Kinder wie Erwachsene verfasst hat. Die besten Weltuntergänge nicht, aber das ist gefühlt egal. Es ist also nicht die renommierte Autorin, der jegliche Kritik gilt, sondern der nachplappernde Schatten des links-grün-versifften Wirtschaftsministers Habeck, die als seine Bauchrednerpuppe Kinder manipuliert und einer Gehirnwäsche unterzieht. Interessant auch deshalb, weil Habeck von den gleichen Absendern gern ein vor Häme triefendes „Kinderbuchautor!“ entgegengeschleudert bekommt, als wäre das die allerletzte Tätigkeit, aus der heraus sich politische Kompetenz begründen ließe. Da würden mir aber spontan noch einige weit ungeeignetere einfallen, Jura z.B. oder Aufsichtsratsvorsitzender bei Blackrock, aber das nur am Rande.

Allein darauf baut die nun hochkochende mediale Entrüstung auf, auf diese grüne Handlangerin. Mit dem ökonomisch gegenteiligen Effekt. Monika Osberghaus hat im Rahmen einer Ringvorlesung über unter Druck geratende Kinderliteratur darauf hingewiesen, dass jede Form der Aufregung gemäß dem Motto „Bad news are good news“ immer entgegen der wutentbrannten Parolen zu signifikanten Mehrumsätzen geführt hat und führt. Wie auch hier.

Zurück zur Entrüstung: Die von Google gesammelten Rezensionen umfassen aktuell (20.12.) 115 Stück, von denen mehr als 95 Prozent zur Kategorie 1 Stern gehören, bei vielen aber nur, weil man weniger nicht geben kann. Und in denen Dinge stehen wie – Achtung, Triggerwarnung: Es folgen Passagen von irrlichternder Naivität und rechtspopulistischem Schwachsinn in Originalschreibweise:

„An die Kreatur die das Geschrieben hat lass dich einweisen, du hast unter echten realen Menschen die noch wissen was Familie ist und diese Wertschätzen nix verloren.“ oder „Das ist das erste Buch, welches das Urteil „Buchverbrennung“ verdient hat.“ oder „Dieser Habeck, der uns täglich zusätzliche Kosten aufzwingt hat eine Frau welche unsere Kinder krank machen will.“ oder „Als Mutter und Großmutter bin ich der Meinung, dass dieses Buch kindswohlgefährdend ist.“ oder „bei dieser unsäglichen tusse gilt wohl, der 🍎 Apfel fällt nicht weit vom Habeck“ oder „Wenn mein seinem Kind Schaden zufügen möchte und es seelisch foltern will, Wie die Grünen es ja gerne machen, dann nur zu.“

Und die noch schlimmeren Kommentare an der Grenze der Strafbarkeit habe ich ausgelassen.

Diese tiefgründigen Urteile beruhen selbstverständlich auf einer intensiven Auseinandersetzung mit den Buchinhalten. Etwa nicht? „Nach einigen Leseproben kann ich dieses Buch absolut nicht empfehlen.“ oder „Mir reichte ein Blick ins Buch…“ oder „Habe die Inhaltsangabe und die Rezensionen gelesen und werde es mit der Mistgabel nicht anfassen“ oder „Ich kenne zwar das Buch nicht, aber für Kinder ab 8 Jahren, sehr fragwürdig“. Ach so.

Das ist also wie ein Dönerlokal blöd finden, in dem man noch nie gegessen hat, aber trotzdem die Hygiene anprangert und von dem man unbedingt weiß, dass es gewaltbereiten Islamisten gehört. Hat man so auf Telegram gelesen und dann muss es ja stimmen.

Was das heißt? Dass es immer schwerer fällt, auf eine Art Dialog zu hoffen, weil es von einer Seite aus gar keine Dialogbereitschaft gibt oder überhaupt die Idee einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Aus Filterblasen werden mehr und mehr Filtergefängnisse, aus geäußerter Kritik mehr und mehr verbale Körperverletzungen. Und es wird immer schwerer, sich als Solidargesellschaft zu verstehen, wenn Empathie als grundlegende Eigenschaft verschwindet. Dem sollten wir alle als Zivilgesellschaft bei den anstehenden Landtagswahlen entgegenstehen. „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ war nie wichtiger als heute.