Ende, Tod und Tulpe – Tulipan bei Penguin Random House

Im Februar ging die Meldung durch die Medien: Penguin Random House erwirbt den Tulipan Verlag, von der Zwiebel bis zur Blüte, in München und Berlin, mit allen Mitarbeiter:innen und der Backlist. Ein schlauer Schachzug in der Expansionsstrategie von Penguin Random House? Ein großer Schritt für Tulipan? Ein Merge, der Sinn ergibt?

Dreimal Nein, zumindest auf den ersten Blick und als Zusammenfassung des verbreiteten Kopfschüttelns in der Branche. Aber hinter den Neins stecken auch Gründe. Wo anfangen?

Die wichtigste Frage ist, wie die beiden wohl zusammenpassen. „Mit seinen inhaltlich und gestalterisch wunderbaren Büchern passt Tulipan perfekt in unsere Content-Strategie, weil wir gerade im Kinderbuch organisch und anorganisch wachsen wollen.“ sagt der fürs Kinder- und Jugendbuch verantwortliche Verleger Tobias Winstel. Was 2021 mit dem Erwerb des frech-Verlages anorganisch auch gelang. Nur: Den Wachstumsmarkt Kinderbuch erkennt C. Bertelsmann im Jahrestakt. Und im Jahrestakt gab und gibt es Strategien, wie das zu nutzen sei mit dem Ziel, einer der umsatzstärksten Kinder- und Jugendbuchverlag zu werden. Man erinnert sich: Geflutete Taschenbuchregale, Auf- und Ausbau von Redaktionen, großzügigste Vorschüsse im Lizenzeinkauf, Imprints hier und da, und am Ende, wie in Konzernverlagen üblich, der strenge Blick auf die Rendite. Die ein oder andere Verlagleiterin kam dann in Erklärungsnot. Was den Job vor Ort auch nicht übermäßig attraktiv machte, wenn man sich nach dem Ausscheiden von Susanne Krebs zum 31.5.2023 bis zum 1.2.2024 Zeit ließ oder lassen musste, bis eine geeignete Nachfolgerin gefunden war.

Zusammengefasst: Umsatz und Ertrag waren selten wie gewünscht. Und von einer Spitzenplatzierung ist Penguin Random House meilenweit entfernt. Da kommen sie auch mit dem hinzugerechneten Umsatz von Tulipan bei weitem nicht hin. Was bleibt ist eine umfangreiche, aber wenig umsatzstarke Backlist und neue Mitarbeiterinnen. Aber das ist ja auch ein Goldschatz. „Wir gewinnen mit dem Kauf nicht nur die Rechte an Büchern, sondern auch die tollen Erfahrungen der Kolleginnen und die Beziehung zu wunderbaren Autor:innen und Illustrator:innen.“ sagt Winstel weiter. Wie immer die Erfahrungen und die Beziehungen nun einfließen können.

Aber wie passt dazu der fast gleichzeitig bekanntgegebene Stellenabbau um 10 Prozent sprich 100 Mitarbeitenden bis 2027, vorrangig in München und der Plan, man wolle „Kostensteigerungen entgegenwirken.“ – also sparen – zu einem Verlag, der mal eine leinengebundene Bibelnacherzählung von Sybil Grafin Schönfeldt mit Illustrationen von Klaus Ensikat für 39,95 € ins Jugendbuchregal bringen wollte? Selbst wenn Cowboy Klaus jetzt umsattelt und auf dem Drachen Kokosnuss reitet, wird das nicht funktionieren.

Und da war noch ein Nebengeräusch. Genauer gesagt, ein fehlendes, nämlich das der Eigentümerin. Denn die Tulipan Verlag GmbH war bis dato im Besitz von Regine „Mascha“ Schwarz als geschäftsführender Alleingesellschafterin. Sie hat den Verlag nach dem Ausscheiden von Mitgründerin Sascha Nicoletta Simon 2013 alleine geführt. Lassen wir mal unberücksichtigt, dass sie in den vergangenen Jahren zunehmend Aufgaben im Unternehmen bzw. der Stiftung ihres Vaters Dieter übernommen hat, als Eigentümer von Kaufland und Lidl immerhin zweitreichster Deutscher. Trotzdem: Sie hat dem Deal zugestimmt und hätte etwas zur Übernahme sagen müssen, nicht die Verlagsleiterin Annette Beckmann. Die seit August 2022 nicht mal mehr als Geschäftsführerin vertretungsberechtigt ist, sagen die einsehbaren Wirtschaftsdaten. Mmmh. Kein Wort also, warum Tulipan nicht mehr unabhängig weitermachen will. Und wie ist das mit der 20 %-Beteiligung von Tulipan am Manga-Verlag altraverse?

Man wird sehen, wieviele Düngestäbchen Penguin Random House der Tulpe spendiert. Wie sehr man sich im gepflegten Kleingarten engagieren will. Oder ob nicht doch der Vertikutierer vieles unterpflügt, was Tulipan ausmacht.

Quellen:
Wirschaftsdaten Tulipan: https://www.northdata.de/Tulipan+Verlag+GmbH,+M%C3%BCnchen/HRB+211714
Ausagen Penguin Random House: www.boersenblatt.net/news/verlage-news/alle-die-gleiche-richtung-das-funktioniert-nicht-318821?ss360SearchTerm=Random%20House
Pressemitteilung zur Übernahme: https://www.boersenblatt.net/home/tulipan-schluepft-unters-dach-von-penguin-random-house-318611?ss360SearchTerm=Tulipan
Beteiligung altraverse: Auskunft von altraverse-Verlagsleiter Dr. Joachim Kaps
Hintergrundgespräch zu Penguin Random House