„Ich bin nicht da, um die Leute mit Kunststückchen zu unterhalten“
Der Thomas ist ein ziemlich guter Fußballer. Er war Torschützenkönig bei der WM 2010. Hat zig Titel geholt mit Bayern München. Und ist auch sonst ein ganz gewitzter Typ in der ansonsten so glatten Fußballerwelt. Dass er was mit Büchern macht, ist neu. Umso erstaunlicher ist sein Erstleserdebüt Mein Weg zum Traumverein, erschienen bei Oetinger. In einer Reihe, die da heißt „Lesenlernen mit Fußballstars“.
Das ist in etwa so naheliegend wie Strickenlernen mit Gebirgsjägern oder Englischlernen mit Franzosen. Oder hat man schon mal einen Kicker aus dem Mannschaftsbus steigen sehen, der anstelle eines dicken Kopfhörers ein Buch unterm Arm oder in der Hand getragen hätte? Und wie war das noch gleich bei der diesjährigen WM? Im Trainingslager der Nationalmannschaft hat Teammanager Oliver Bierhoff den Spielern nicht die Leselampen rausgedreht, sondern das W-LAN abgeklemmt. Weil die Spieler bis in die Puppen FIFA und Fortnite an ihren Konsolen zockten. Vielleicht gibt es ja wirklich welche, die lesen. Die Quote dürfte mindestens so hoch sein wie die homosexueller Fußballer. Und sich zu outen mindestens so selten.
Trotzdem ist Fußball einer der thematischen Schlüssel, um Jungs zum Lesen zu bringen. Mit Aktion wie der „Lese-Kick“ in Bayern und „Kicken und Lesen“ in anderen Regionen, Lesungen in Vereinsheimen oder Fußballern als Lesebotschaftern soll das gelingen. Aber seit die Wilden Fußballkerlen von Joachim Masannek im Abseits stehen, funktioniert das eher schlecht als recht.
Jetzt also der Thomas Müller, mit illustrer Hilfe. Die Bilder stammen von Jan Birck. Das ist DER Fußballgeschichtenillustrator, wie erwähnt, seit den Wilden Fußballkerlen. Die Figuren sehen dann auch alle ziemlich gleich aus. Geschrieben hat die Geschichte der Thomas, zusammen mit Julien Wolff. Der ist Sportreporter der WELT und Bayern-Spezi. Aber garantiert kein Kinderbuchautor.
Aus dem Baukasten für Fußballgeschichten kommt das wichtige Spiel, in dem a) der Held das entscheidende Tor schießt oder b) das entscheidende Tor des Gegners verhindert. Bei Thomas Müller gerät dieser Standardplot leicht ins Hintertreffen, denn der Talent-Späher, nicht zu verwechseln mit dem Eichel-Häher, des großen FC Bayern hat ihn beim TSV Pähl beobachtet und nun auf dem Zettel. Die Einladung zum Probetraining wird ein Erfolg, der Thomas vom Dorf ist jetzt Spieler beim FC Bayern. Die flaue Spannung dieser überschaubaren Geschichte ergibt sich allein aus der Frage, ob der Talent-Späher den Thomas auch nimmt, wenn nicht gleich alles klappt. Oder ihn aber als ungeeignet abserviert. Was ja unlogisch erscheint, wenn der Thomas heute Nationalspieler ist. Ach egal, bei Erstlesebüchern kommt es ja auf den Inhalt nicht so an.
Die Reihe von Thomas Müller wird fortgesetzt. Nach dem Weg vom Dorfverein zum FC Bayern geht es dann um die Jahre in den Jugendmannschaften. Das klingt vom Konzept her ein wenig nach Conni. Thomas in der Pubertät. Wie er seine Lisa kennengelernt hat. Seine erste deutsche Meisterschaft. Lisa und Thomas auf dem Pferdehof. Da steckt eine Menge Vermarktungspotential drin, je nach dem, was der Thomas noch so alles ausplaudern will. Aber wenn es so langweilig bleibt, wer will das lesen? Da schaut man lieber dem Thomas auf dem Rasen zu, wie er ohne Kunststücke die Kugel versenkt und Bayern zur erneuten Meisterschaft führt. Das kann er ja.