Abbloggen
„Hallo ihr Lieben und schön dass ihr dabei! Heute gibt es nach ganz langer Zeit mal wieder ein Want to eat. Also, ich möchte jetzt unbedingt, eigentlich schon heute, loslegen. Und das erste, was ich essen möchte, ist eine Pizza Napoletana. Ich habe mir schon die Speisekarte besorgt, und oh mein Gott wie schön ist bitte dieser Umschlag, ich liebe diese Farben, ich liebe diese Pastelltöne, es ist ein richtiger Blickfang. Was steht hier in der Karte? Pizza Napoletana mit Tomatensauce. Das klingt super spannend, ich stehe total auf Tomatensauce. Weiter heißt es da Mozzarella. Ich liebe Mozzarella! Ich bin so aufgeregt, ich kann’s nicht abwarten, die Pizza in meinen Händen, zu halten, sie zu verschlingen! Es wird einfach so hot! Und dann noch Basilikum. Finde ich sehr interessant. Werde ich auf alle Fälle essen. Ja meine Lieben, das war’s mit meinem Video, ich hoffe, ich habe euch ein paar tolle Tipps gegeben, tschüß.“
Das Video-Blogger-Format „Want to Eat“ hat sich noch nicht durchgesetzt. Klingt auch einigermaßen absurd, eine Speisekarte vorzulesen und anderen Menschen mitzuteilen, was man irgendwann mal essen mag. Das Format „Want to Read“ hingegen ist bei Buchbloggern durchaus üblich – einige der Sätze aus dem Anfangstext stammen nahezu wortwörtlich aus dem Video „Want to read März 2019 oder so … von Sara Bow“ – mit aktuell rund 6.500 Aufrufen.
Ich bleibe dabei: Ich kann mit vielen dieser sogenannten Buchblogs wenig anfangen. Sich über Reichweiten seine Social Media-Aktivitäten zu finanzieren und dafür jubilierend auf YouTube Buchpakete auszupacken oder Klappentexte vorzulesen: Das ist für mich einfach nur schlecht gemachte Werbung. Mit diesen so getroffenen pauschalen Aussagen über Blogger habe ich mir in meiner Woche bei „Was mit Kinderbüchern“ auf Facebook reichlich verbalen Gegenwind eingefangen.
Da meldete sich die „Indie“-Fraktion der Kinderbuchblogger zu Wort, die mir Ahnungslosigkeit unterstellt, sagt, wie ernsthaft sie Bücher bespricht, dass sie sich gerade um kleine Verlage und unbekanntere Bücher kümmert, auch sehr kritisch ist, sie die Kosten im Sinne von investierter Zeit und dem technischen Aufwand wie Hosting usw. eher drauflegt usw. usf. Ja, mag ja alles richtig sein, und Buchblogger sind bestimmt auch eine Bereicherung in der Beschäftigung mit Literatur.
Ändert aber nichts an daran, dass ich manche Dinge nicht verstehe. Oder verstehen will. Oder ich eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit erkenne. Top-Vlogger auf YouTube wie die schon genannte Sarah Bow, erreichen pro YouTube-Video fünfstellige Aufrufzahlen, das erreichen Blogs manchmal nicht im Jahr.
Schaue ich doch mal, wie das ist mit dem kommerziellen Drumherum. Der Kontakt mit Verlagen beruht auf Gegenseitigkeit. Carlsen zum Beispiel verschickt nur dann freizügig Rezensionsexemplare, wenn die Reichweite stimmt. Influencer mit einem einzigen Kanal brauchen mindestens 2.500 Follower, wer diverse Social Media Kanäle bespielt, sollte mindestens 1.000 Follower, Fans oder Abonnenten haben. Auf der anderen Seite ist es ist nicht unüblich, dass auf den Buchblogger-Seiten unter „Media-Kit“ oder „Für Autoren & Verlage“ die Hand für Leistungen ausgestreckt wird, über reine Rezensionen hinaus. Frau Kallafitti schreibt da an Verlage gerichtet: „An Kooperationen bin ich stets interessiert. Die Möglichkeit einer Verlagsvorstellung oder Präsentation einzelner Aspekte besteht selbstverständlich ebenfalls“. Oder die „Literatouristin: „Produktvorstellungen, Interviews, Veranstaltungsberichte und kreative Auseinandersetzungen/ Kooperationen“ sind jederzeit möglich. Solche oder ähnliche Formulierungen könnte ich beliebig fortsetzen und sie finden sich sogar auf den Blogs derjenigen, die mich scharf kritisiert haben: „Auf meinem Blog xxxxxxxx können Sie werben. Ich biete Ihnen Bannerwerbeplätze, Blogsponsoring, sponsored Posts und redaktionelle Beiträge zum Thema Kinder- und Jugendliteratur an. Letzteres kann auch auf Ihrer Webseite/Blog erscheinen.“
Blöd nur, dass Rezensionen viel weniger gefragt und geklickt sind als Social Media-gängige Formate wie „Mein Lesemonat“, Neuzugänge oder Bookhauls. Nehmen wir mal YouTuber David Milan. Der füllt neben seinen eigenen Kanal auch das Content Marketing-Portal „Tales & More“ von Literaturtest für den Grossisten KNV – apropos, gibt’s den nach der Insolvenz von KNV eigentlich noch? Bestimmt nicht für Naturalien. Oder Maren Vivien. Die Agentur HitchOn für Influencer und YouTube-Marketing hat für den im Bastei Lübbe-Imprint one erschienenen Fantasy-Roman „Zorn und Morgenröte“ eine Influencer-Kampagne entwickelt. Und Maren Vivian verpackt die Vorstellung des Romans in ihr Video über kuschelige Leseroutine. Ach ja, bei „Tales & More“ ist sie auch dabei.
Das wollen bestimmt nicht alle, die sich auf Blogs mit Kinder- und Jugendbüchern auseinandersetzen. Aber so altruistisch und „kritisch“ ist die Welt der Buchblogger nun auch nicht. Muss sie auch nicht sein. Aber die Kritik aushalten, dass muss sie.
Ich stelle fest, dass der Gegenwind Sie auf jeden Fall beschäftigt hat. Doch was ist jetzt genau Ihr Kritikpunkt? Und wen kritisieren Sie? Oder wenn Sie nicht verstehen wollen, warum schreiben Sie diesen Artikel?
Sehr geehrte Frau Bönisch, ich war und bin davon überzeugt, meine Kritikpunkte deutlich gemacht zu haben: Zum einen ein manchmal nicht deutlich sichtbares Verquicken von persönlicher Meinung und Abhängigkeit von Verlagen. Und zum zweiten Formate insbesondere bei Vloggern, die ich als unsinnig und dem Objekt nicht angemessen ansehe. Sie selbst schreiben doch in Ihrem Blog, dass Sie manchmal daran zweifeln, ob Sie mit zwei Blogbeiträgen die Woche den Büchern und den MEnschen, die dahinterstehen, gerecht werden. Nichts anderes ist meine Kritik an Unboxing und anderen Formaten. Genau diese Blogger kritisiere ich, weil sie den Blick verstellen auf diejenigen, die sich ernsthaft mit Büchern, Inhalten, mit deren Ästhetik usw. auseinandersetzen. Wenn Sie mir darüber hinaus vorwerfen, ich „wolle nicht verstehen“, freue ich mich auf eine hilfreiche Erklärung, was ich denn Ihrer Meinung nach nicht verstehen will. Oder nicht verstehe.
Sehr geehrter Herr Schweikart, ich schließe mich dem Tenor von Dagmar Eckhardt an. Die von Ihnen gewollte Absicht der Unterscheidung lese ich im Text nicht heraus (übrigens finde ich es witzig, daß Sie mich zitieren, aber nicht konkret nennen). Sie kritisieren also die Vlogger und Buchblogger, die das Buch nicht angemessen bewerben. Ich stimme Ihnen zu, daß es reichlich Rezensionen gibt, die absolut nicht einer kritischen Auseinandersetzung und Einordnung entsprechen. Die Frage ist doch, schaffen solche Buchbewerbungen, daß mehr Menschen dieses Buch konkret und generell kaufen? Wenn ja, prima! Springt der Funke zu denjenigen über, für die Lesen nichts Genußvolles ist? Kochen wir Buchmenschen nicht zu sehr in unser eigenen Suppe? Von diesen Fragen komme ich gleich zu den Äquivalenten in der Leseförderung. Schafft eine Werbesendung auf RTL mit einem Prominenten fürs Lesen, wohl bezahlt von der Stiftung Lesen, daß nichtlesende Kinder zum Buch greifen? Da mehr kritisch zu sein, stimme ich Ihnen zu. Ich will ja nicht allein bei der Kritik stehen bleiben, sondern mit meiner Blogarbeit und im beruflichen sowie privaten Umfeld Aktionen ausprobieren (Buchkönig, ganz konkret Buchempfehlungen in der örtlichen Bücherei, die zum Erwerb führen, ebenso in der Grundschule). Selten berichte ich davon im Blog, vieles geschieht im Hintergrund. Und zu 99 % ist alles ehrenamtlich. Ich denke und weiß, vieler meiner Kinderbuchblogger ähnlich agieren. Den Schuh „warum will die mir Rezensionen und Kooperationen Geld verdienen“ dürfen Sie gerne behalten.
Die Welt der Blogs ist groß und vielfältig. Genau wie man nicht alle Zeitschriften lesen kann und will, sucht man sich eben auch nur die Blogs raus, die einem liegen. So what? Auffällig ist jedoch, dass sie sich auch diesmal nicht mit den Blogs auseinandersetzen, die den Gegenwind beschert haben.
Sehr geehrte Dagmar Eckhardt, ich habe auch diesmla versucht, zu differenzieren und nicht pauschal alle Buchblogger und Buchblogs abgewatscht. Darum setze ich mich doch auch namentlich mit den Buchblogs auseinander, an denen ich etwas zu kritisieren habe. Wenn Sie das mit ihrem Buchkönig anders machen und sich eine kritische auseinandersetzung auf die Fahnen geschrieben haben, so what? Dagegen habe ich weder auf „Was mit Kinderbüchern“ noch in diesem Beitrag polemisiert.
Schön, dass sie persönlich diese Unterscheidung treffen. Im Text herausgearbeitet haben sie die Unterschiede jedoch nicht. Ganz im Gegenteil: der geschmeidige Übergang von dem, was sie als „Indie-Blogger“ bezeichnen zu den Vloggern führt dann direkt zu:
„Oder ich eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit erkenne.“ Was dann wiederum so wirkt, als würde das für alle Blogger gelten. Geschickt eingefädelt!
Aber eine andere Frage halte ich für viel interessanter: sind denn die Blogger und Vlogger nicht ein wunderbar niederschwelliger Zugang zum Buch? Und ist nicht alles, was Menschen zum lesen bringt, willkommen?
Sehr geehrter Schweikart,
das Thema scheint Sie ja weiterhin zu beschäftigen. Leider finde ich Ihre gewählten Bezeichnungen und Umschreibungen immer noch anmaßend. Vielleicht liegen aber auch Generationen zwischen uns? Und die haben ja auch immer wieder Unterschiede aufzuweisen. Daher jeder so wie will und mag. Auch Sie. Liebe Grüße Janet aus der Indie-Kinderbuchblogger-Fraktion
Sehr geehrte Janet Blume, da ich nicht genau weiß, welche Bezeichnungen und Umschreibungen Sie meinen, fällt es mir schwer, darauf einzugehen. Aber vielleicht ist das auch nicht erwünscht, ich kann gut damit leben, auch die Generationen zwischen uns zu akzeptieren.