Nachschlag Februar 2016: Unnützel.
Nikolaus Nützel ist Journalist. Und Nikolaus Nützel ist Sachbuchautor, weil er schwierige Dinge wie die Wirtschaft oder die Sprache bildhaft und nachvollziehbar erklären kann – besonders für Jugendliche. Das kann er so gut, dass er schon zweimal mit Büchern auf der Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis stand. Zuletzt mit einem ambitionierten Buchprojekt über seinen Opa mit Holzbein und andere Menschen, die den Schrecken und die Folgen des Ersten Weltkrieges begreifbarer machen. Weil sein Stammverlag Random House da Zweifel hatte, ob sich das verkauft, erschien es etwas überraschend bei Ars Edition. Ein Ausrutscher, denn sein neuestes Sachbuch Jugend in Gefahr! 19 Tipps, wie du deinen 20. Geburtstag erlebst. Und den 100. vielleicht auch noch. erscheint nun wieder bei cbj.
Um was geht es diesmal? Um die Gefährdungen jungen Lebens. Von Kokosnüssen erschlagen zu werden. Impotenz durch Röntgenstrahlung. Durch Computerspiele Gehirnerweichungen zu bekommen. Falsche Ernährung. Schönheitswahn. Geschlechtskrankheiten.Todestern Sonne. Noch nicht genug? Das Register führt jede Menge weiterer Risiken auf von A wie ADHS über M wie Miley Cyrus bis Z wie Zugunfall. Will heißen: Jung sein ist kein Spaß. Überleben schon gar nicht. Es sei denn, der nette Onkel mit der Brille erklärt dir mal, wie’s geht. Er muss es ja schließlich wissen, immerhin hat er seinen 20. Geburtstag schon glatte 29 Jahre hinter sich.
Worum es diesem Sammelsurium nicht geht, ist kniggeartig vorzuschreiben, was der Jugendliche zu tun und zu lassen hat. Wäre ja auch noch schöner. Stattdessen führen die 19 Kapitel mit den jeweils abschließenden Tipps immer auf den einen, holzhammerartig verbreiteten Merksatz zu: Es kommt darauf an.
Beim Röntgen zum Beispiel. „Sie bringen nicht nur Nutzen, sondern können auch Schaden anrichten.“ Aha. Dann wird anhand von Zahlen und Wahrscheinlichkeiten nachgewiesen, dass es tatsächlich gefährlich sein kann. Das heißt in den Worten von Nikolaus Nützel: Lass dich nicht vom eigenen Denken abbringen, nimm doch eine Nutzen-Risiko-Abwägung vor! Wollte ich nur gesagt haben.
Das macht der Jugendliche natürlich auch beim Sex, im Straßenverkehr oder bei Schönheitsoperationen: Er geht ganz rational ran, wägt ab, blättert nochmal durch die neuesten Erkenntnisse aus der Medical Tribune und entscheidet dann. Kann ja nichts mehr schief gehen. Aber reicht das aus für ein ganzes Buch? Das mit briefmarkengroßen Bildchen von seltsamen Schildern, Werbung und aus der Google-Bildersucht stammenden Fotos einen Hauch von Farbigkeit suggerieren will?
Es verwundert nicht, dass vor allem Eltern dieses Buch empfehlen. Genau das ist es, ein Erziehungsbuch. Das Eltern ihren Kindern in die Hand drücken. „Lies doch mal!“ Und das nach kurzem Blättern auf dem Stapel unnütz verschwindet. Und jetzt auch auf dem Stapel unnützel.
Nikolaus Nützel, Hannes Blankenfeld: Jugend in Gefahr! 19 Tipps, wie du deinen 20. Geburtstag erlebst. Und den 100. vielleicht auch noch. cbj 2015, 176 S., 16,99 €
Sehr geehrter Herr Schweikart,
ich hätte zwei oder drei Fragen zu Ihrer Herangehensweise beim Texten:
Müssen es denn wirklich Wortspiele mit Namen sein? Da möchte ich nur sagen: Seufz, was kann ich denn dafür, dass ich Nützel heiße? Seufz und noch mal seufz, was meinen Sie, wie sehr ich unter dem Namen schon gelitten habe? Schon in Deutschland muss ich den immer fünfmal buchstabieren, bis ihn einer verstanden hat – und im Ausland erst…
Und jetzt auch noch mein Buch „auf dem Stapel unnützel“. Auweh. Und der arme Herr Niesen von cbj – ist das „Hatschi“, das Sie im Dezember über Ihre Kommentare zu Personalveränderungen im Kinder- und Jugendbuchbereich geschrieben haben, wirklich die angemessenste Assoziation? Ich bin mir da nicht so ganz sicher.
Aber bleiben wir bei dem Buch, das ich mit Hannes Blankenfeld geschrieben habe: Ich frage mich, warum Sie denn nicht die Gelegenheit genutzt haben, darauf hinzuweisen, dass dahinter nicht nur ein „netter Onkel mit der Brille“ steckt, sondern gleich zwei nette Onkels mit zwei Brillen! Für die freilich Hannes Blankenfeld ebenso wenig kann wie ich. Ist halt ein körperliches Gebrechen, das dahinter steckt, wenn man so ein Ding auf der Nase trägt. Noch mal: Seufz, kann ich nix für. Wäre doch lieber auch netter Onkel ohne Brille.
Und Hannes Blankenfeld zu erwähnen, hätte ja auch in Sachen Namens-Wortspiele produktiv sein können, zum Beispiel so: „Ob Dr. Blankenfeld ein guter Arzt ist, lässt sich auf Anhieb nicht beurteilen – aber über seine Fähigkeiten als Jugendbuchautor lässt sich ganz klar sagen: Auf diesem Feld ist er blank.“
Eines noch zu den Dingen, für die ich eigentlich nichts kann: Ich weiß schon, dass man mit 48 (erst im Oktober werde ich „den 20. Geburtstag schon glatte 29 Jahre hinter mir haben“…) altersmäßig verdammt weit weg ist von der Zielgruppe des Kinder- und Jugendbuchbereichs. Wem sage ich das? Wenn ich es richtig sehe, wird Ralf Schweikart den 20. Geburtstag dieses Jahr glatte 32 Jahre hinter sich haben.
Doch was soll man da tun? Als Achtjähriger das erste Kinderbuch schreiben, und spätestens mit 20 aufhören? Mag sein, dass mancher „Jugend in Gefahr“ unnütz findet – aber ich fürchte, ich hätte es auch nicht besser hingekriegt, wenn ich 20 Jahre jünger wäre. Erst recht nicht, wenn ich 30 Jahre jünger wäre. Nochmal: Seufz.
Jetzt höre ich aber schon auf. Sonst heißt es: „Typisch beleidigter Autor – wenn er nur geschweikart hätte“ Aua, ich weiß – aber der Schluss-Gag musste noch sein 😉
Besten Gruß, Nikolaus Nützel