Nachschlag März 2016: Das kleine Bisschen
Preisfrage: Wer ist die deutsche Autorin, die mit einer Reihe fantastischer Erzählungen für Kinder international megaerfolgreich und, um die Verfilmung ihres Stoffes in Hollywood voranzutreiben, in die USA gezogen ist? Klar, das kann ja nur Cornelia Fu… – ist es aber nicht. Denn viele Jahre vor ihr gab’s genau diesen Werdegang schon einmal: Bücher, Filmoption, Hollywood, leben in den USA, das war und ist, genau, die Geschichte von Angela Sommer-Bodenburg.
Als der erste Band des Kleinen Vampirs mit Menschenkind Anton und den Vampiren Rüdiger und Anna 1979 erschien, war nicht abzusehen, dass daraus einmal unter anderem 20 Bände, allein in Deutschland über 3,5 Millionen verkaufte Bücher, Übersetzungen in 30 Sprachen, zwei TV-Serien und ein internationaler Spielfilm werden würde. Angela Sommer-Bodenburg hat damit den Boden bereitet für die vielen Vampir-trifft-Mensch-Geschichten im Kinderbuch. Profitiert hat ihre Reihe in späteren Jahren davon kaum.
1992 ging sie in die USA, um in Los Angeles aus dem kleinen Beißer einen großen Hollywood-Film zu machen. Sie ist geblieben, und die Hoffnung auf einen Film mit ihr. Der kam nach zähen Verhandlungen im Jahr 2000 in die Kinos, als Deutsch/Niederländisch/ Amerikanische-Koproduktion unter der Regie von Uli Edel. Großes und erinnerungswürdiges Kino war das nicht, und der Durchbruch in den USA auch nicht. In ihrer Wahlheimat wird sie heute eher als Malerin denn als Autorin wahrgenommen.
Warum? Weil es immer schwierig war, Anspruch und Wirklichkeit zusammenzubringen. Denn der kleine Vampir war nach acht Bände, im Jahr 1988, zum ersten Mal leidlich auserzählt. Es gab Streit mit der Illustratorin Amelie Glienke, Unzufriedenheit mit dem Hausverlag Rowohlt und den Wechsel zu C. Bertelsmann, wo die Reihe unter dem Titel Anton und der kleine Vampir mit acht weiteren Bänden und anderen Illustrationen fortgeführt wurde. Es lief dort nicht wie erhofft, und ab 2001 erschienen neue Bände wieder bei Rowohlt, samt Neuausgaben der C. Bertelsmann-Bücher, alle neu illustriert von Amelie Glienke. Mit großen Erwartungen, aber nur mäßigem kommerziellen Erfolg. Mit Der kleine Vampir und die letzte Verwandlung erschien 2008 der Abschlussband, dachte man. „Für mich ist die Serie Der Kleine Vampir mit dem 20. Band beendet.“ sagte sie selbst in einem Interview auf der Frankfurter Buchmesse des gleichen Jahres.
Und jetzt das. Band 21. Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen. Und die lautet an Angela Sommer-Bodenburg: Warum nur? Immer wieder hat sie in Interviews darüber geklagt, dass man ihr als Autorin nicht mehr zutraut als nur Anton und Rüdiger. Und Geisterkram. Um doch noch ein weiteres Mal diese Einschätzung zu bekräftigen. Das kann nicht gutgehen. Immerhin 37 Jahre liegen zwischen Band 1 und Band 21 – das ist mehr als eine Generation Leserinnen und Lesern. Und bei welcher Buchreihe war nochmal der 21. Band der absolute Höhepunkt? Die Überraschung? Das Highlight? Vielleicht fällt’s mir ja noch ein.
Die Frage aller Fragen ist es jedenfalls nicht. Die Geschichte wirkt zahnlos, vorhersehbar, gewollt, und das auf 240 ermüdenden Seiten, die alles andere sind als ein spannendes Wiedersehen. Anna kichert permanent, Anton widerholt als Beweis seiner Unbedarftheit Fragen gerne wörtlich, auf sämtlichen Seiten riecht es nach Rosen, Moder und einem ganzen Gewürzkarussell. Die Frage aller Fragen stellt Anna übrigens schon auf den ersten Seiten. Und die Antwort Antons scheint mondscheinklar. Der Kleine Vampir, das ist ein Buch für Nostalgiker. Und Sammler der Reihe. Ein frisches, spannendes, lesenswertes Kinderbuch ist es leider nicht.