Ich kauf mir meine Leser
Wenn die Leser den Verlagen schon keine Bücher mehr abkaufen , dann kaufen die Verlage eben die Leser. Und die Schreibtalente unter den Lesern noch dazu. Klingt komisch, ist aber so. Wie Random House Children Books in den USA die Leser- und Autorenplattform www.figment.com. Dahinter verbirgt sich ein Haufen enthusiastischer und vor allem junger Menschen (in Zahlen: 300.000 Nutzer, die meisten zwischen 13 und 18 Jahren alt), die vorrangig schreiben, ihre Werke auf figment posten, um anschließend die Texte anderer junger Menschen zu lesen und zu bewerten. Werke, die natürlich nicht bei irgendeinem Verlag erschienen sind. Aber, jetzt kommt Sinn in die Kombination, die bei einer hohen Leserzahl und besten Bewertungen durch die Community doch ein Buch werden könnten. Man rate mal, bei welchem Verlag. Ach ja, figment will auch weiterhin offen bleiben für andere Verlage, heißt es in der Pressemitteilung. Das klingt so, als würde VW alle ATU-Werkstätten übernehmen und ankündigen, dort auch weiterhin FIAT-Rostlauben oder sozialistische Ladas reparieren zu wollen. Wenn es sein muss.
Ganz selbstlos sind solche Unternehmenszukäufe nie. Aber seltsam ist es schon, wenn sich ein großer Buchverlag eine bislang unabhängige Autoren/Leser-Plattform einverleibt. Ungewöhnlich ist es nicht. Denn in Deutschland steckt hinter dem großen sozialen Literaturnetzwerk lovelybooks – Leser empfehlen dir die besten Bücher und Autoren – niemand anderes als die Verlagsgruppe Holtzbrinck, zu 100 Prozent. Nicht die Finanzierungstruppe Holtzbrinck Ventures Advisers GmbH, die an Unternehmen wie Zalando oder DaWanda beteiligt ist, sondern die 100 prozentige Holtzbrinck-Tochtergesellschaft aboutbooks GmbH. Die also zum gleichen Mutterkonzern gehört wie die Verlage S. Fischer, Rowohlt und Droemer Knaur.
Unter den Verlagen bestehen im Alltagsgeschäft keine von oben oktroyierten Absprachen. Trotzdem wird man sich die Umsatzrenditen der einzelnen Verlage ansehen und vergleichen, und einer ist immer der mit Erklärungsbedarf. Doch das ist eine andere Geschichte.
Beide, Leser wie Schreiber, werden für Verlage ein immer wertvolleres wie teureres Gut. Geschickt ist, wenn man sich als Verlag möglichst nahe an die Leser kuscheln kann. Indem man versucht, solche Lesercommunities selbst aufzubauen, die dort selbst publizierenden Autoren direkt anspricht, und deren Werke daraufhin als e-Book vermarktet. Oder sich eben die Kanäle einverleibt, die sich schon erfolgreich etabliert haben. Aber eben nicht nach platter Werbung aussehen. Das ist zwar teurer, aber langfristig sicherlich seinen Preis wert. Auch wenn ein Stück Unabhängigkeit damit verloren gehen könnte.