Dr. Brumm brummt

Dr. Brumm BlogbildDie Meldung aus der Bonnier-Zentrale kam unmittelbar nach der Buchmesse in Frankfurt: Die Verlage Thienemann und Esslinger fusionieren zum 1. Januar 2014 in Stuttgart. Thienemann-Verleger Klaus Willberg, auf der Messe noch nichtsahnend am Stand, wurde vor der Vertreterkonferenz mit den üblichen Respektbekundungs-Floskeln nach Hause geschickt, stattdessen übernahm der bisherige Geschäftsführer von Esslinger, Dr. Thomas Seng, die kaufmännische Leitung, neue Verlegerin wurde ab Januar Bärbel Dorweiler, bis dato Verlegerin von Querio in Amsterdam. Das klingt wie eine branchenübliche Zusammenlegung, um, in Maketingsprech, Synergien zu nutzen, Kompetenzen zu bündeln, gemeinsam noch bessere … blablabla.

Heute, Ende März (auch heute noch, Ende April), brummt nicht nur Dr. Brumm. Denn noch ist recht wenig aus allen Ankündigungen geworden, außer großer Verunsicherung im Stuttgarter Verlagshaus von Thienemann und einer Fülle von zumindest fragwürdigen Entscheidungen. Das begann schon mit der Pressemitteilung von Bonnier. Um die ohne Zweifel vorhandene Kompetenz der neuen Verlegerin Bärbel Dorweiler zu untermauern, wurde sie und ihre Leistung bei Querido wie folgt vorgestellt: „There she worked with authors such as Guus Kuijer, Rebecca Stead and Cornelia Funke.“ Das klingt für 12 Jahre Tätigkeit als Verlegerin in einem der bedeutendsten Kinderbuchverlage der Niederlande ziemlich dürftig. Wenigstens ist neben zwei vielleicht eigenhändig eingekauften Lizenz-Autorinnen, davon eine in Deutschland ziemlich unbekannt, mit Guus Kuijer ein hauseigener Autor dabei, der übrigens schon lange vor Frau Dorweiler bei Querido veröffentlichte. Was immer Bonnier mit dieser Auswahl sagen will. Doch damit nicht genug.

Richtig angekommen ist die Verlegerin noch immer nicht. Es heißt, sie sei nur wenige Tage im Monat überhaupt im Verlag, die seit Oktober 2013 eingeleitete Umbruchphase dauert also an. Grob überschlagen: Seit November fehlt es nun schon an klarer inhaltlicher Führung, um zwei Verlage und mehrere Lektorate mit unterschiedlichen Programmschwerpunkten zu einem Team zu verschmelzen. Das ist insbesondere dann fatal, wenn die Absicht von Bonnier war, dass zwei Humpelnde sich stützen, um gemeinsam schneller laufen zu können. Noch bremsen sie sich eher.

Auch auf den Webseiten beider Verlage ist von Zusammenarbeit nichts zu entdecken. Beide firmieren unter altem Namen, alter Adresse, und Esslinger natürlich in Esslingen (Das hat sich bis Ende April tatsächlich geändert). Dabei sind die Verlagsmitarbeiter längst umgezogen.

Dazu kommt eine große Verunsicherung des Lektorats. Synergien nutzen heißt im Verlagssprachgebrauch in der Regel Einsparpotentiale nutzen, und das geht in Verlagen am einfachsten im Lektorat. Allzu loyale Kräfte, Mitarbeiter mit befristeten Verträgen, junge Kollegen, da wird rasch und rücksichtslos mit eisernem Besen gekehrt. Trifft’s mich? Trifft’s den anderen? Wen trifft’s? Das fördert alles, nur keine Aufbruchstimmung. Vor allem dann nicht, wenn geschassten Kolleginnen auf der einen Seite unmissverständlich die Tür aufgehalten wird, per Stellenausschreibungen auf der anderen Seite aber sofort Nachfolger gesucht werden.

Und ist ein kaufmännischer Geschäftsführer, der lange Jahre einen Sachbuchverlag wie Tessloff geleitet und der, wie in der Branchenpresse gemutmaßt wurde, aufgrund von überzogenen Expansionsgelüsten dort Knall auf Fall gehen musste, die richtige Wahl für die Reorganisation und den soliden Aufbau einer neuen Markenkompetenz für ThienemannEsslinger? Fragen über Fragen. Und ein Dr. Brumm, dem dieses Treiben bislang nicht gefallen dürfte.

P.S.: Der Text ist Ende Februar/Anfang März entstanden. Um die Aussagen zur Verlegerin Bärbel Dorweiler, zu Entlassungen und parallelen Stellenausschreibungen und zum Umzug von Esslinger nach Stuttgart zu verifizieren, bat ich am 6. März um eine Stellungnahme des Verlages bzw. der Verlagsleitung, die mir bislang nur angekündigt wurde.