Die Hölle des Löwen
Maschmeyer, Carsten? Ist das nicht dieser steife Anzugtyp mit dem oberammergauer Holzschnittgesicht aus der Unternehmer-Casting-Show Höhle der Löwen? Der mit der Schtonk-Vroni Veronica Ferres verheiratet ist? Und der sein Vermögen gemacht hat als „der Aussätzige der unbeliebten Drückerkolonne AWD“, wie die Financial Times vor Jahren schrieb? Na klar, das sind doch beste Voraussetzungen dafür, ein richtig wichtiges Kinderbuch zu schreiben. Liegt ja in der Familie.
Während Veronica Ferres sich gattinnenhaft ums ehrenamtliche Engagement kümmert und vor Jahren mit Fass mich nicht an und Nein, mit Fremden geh ich nicht zwei Bücher gegen sexuelle Gewalt geschrieben hat, um damit den Münchner Verein Power Child e.V. zu unterstützen, unterstützt Maschmeyer vor allem eines: sich selbst. Denn wer es durch den dezenten Hinweis im Rückentext von seinem ersten Kinderbuch Die Start-up Gang „…von Investor und Höhle der Löwen-Star Carsten Maschmeyer“ noch nicht verstanden hat, der wird spätestens auf Seite 18 nochmals darauf hingewiesen. Wenn er nicht schon im Steckbrief von Gangmitglied Carl beim Eintrag: „Das tollste Buch: Die Millionärsformel“ den dezenten Hinweis auf dessen Ma(s)chwerk für den „Weg zur finanziellen Unabhängigkeit“ bemerkt hätte. Was Teenies in der Mittelstufe halt privat so lesen.
Worum geht es? Um einen „Mann in Cowboystiefeln, eng anliegendem Desingeranzug und Nickelbrille“ der zum Projektwochenstart im Klassenzimmer steht. Na klar, wär käme nicht sofort drauf, dass das a) kein Lehrer sondern b) ein „Hipster“ und c) ein Gründer mehrerer Unternehmen ist. Der den Bratzen jetzt mal in schickem Marketing-Denglish beibringt, wie das upstarten mit einem Start-up funktioniert. Da wird gepitcht und gemerget, Rapid Prototyping betrieben und das Concept geprooft. Und aus den extrem rapid geprototypten, multikulturellen Scherenschnittkindern werden flux erfolgreiche Unternehmer:innen. Denn am Ende steht wie immer der Exit: Im Handumdrehen haben die vier Siebengescheiten ihr kleines 3-D-Druck-Imperium von personalisierten Computermäusen und Online-Game-Figuren für 30 Millionen verkauft und feiern das standesgemäß mit knallenden Kindersektkorken. Jippie! Jetzt die Schule schmeißen, nie mehr arbeiten und dann einmal im Jahr für die Projektwoche ins Klassenzimmer zurückkehren. Wenn das mal keine verheißungsvolle Karriere ist.
So, sagt Onkel Carsten den verzogenen Gören da draußen, vergesst also eure Influencer-Kacke mit den Filmchen und dem Follower-Hinterhergehechle, werdet einfach eine Start-up-Gang und stinkreich, fertig. So wie ich! Dann muss ich ein solches Buch nicht mal selber schreiben, sondern bin mit einem Vor- und einem Nachwort rapid fertig. Den Rest macht der Axel Täubert, der schreibt als Hobby Kinderbücher, wenn er nicht gerade für die Firma Google arbeitet oder, verrückt, Start-ups beim Wachsen hilft. Und der Frank Griesheimer, echt jetzt?, hat als Lektor dieses Werk hoffentlich vor dem allerschlimmsten bewahrt.
Als nächstes machen der Maschi und der Axel dann mal einen funktionierenden Businessplan für Die Duftapotheke und verscherbeln die Die Glücksbäckerei an die Harry Brot GmbH, denn da ist ja noch viel Blauäugigkeit im Kinderbuchgewerbe, wo Ideen und knallhartes Unternehmertum gefordert wären.
Auch wenn kein Kind dieses Maschmeyer-Buch braucht oder verdient, die kleinen BWLer-Eltern in mittlerer Laufbahn, aber ohne jede Start-up-Idee, haben ihm immerhin Einstiegsplatz 9 auf der Spiegel-Bestsellerliste Jugendbuch verschafft. Und im Herbst kommt noch mehr: Dann erklärt Tobias Klostermann, Vorstand der ecoblue AG Vermögensberatung, bei Hanser Kindern: Wie werde ich reicher als meine Eltern? Indem man ihnen mit waghalsigen Anlagen, schwindelerregenden Profitaussichten und dürftigen Kinderbüchern das Geld aus der Tasche zieht. Wetten, dass das funktioniert?