„An English-Book in Al Tona“
Das Klagen der deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, die mit ihrer Gesamtsituation unzufrieden sind, ist längst noch nicht verklungen. Auch die Diskussion um den Deutschen Jugendliteraturpreis und die Preisvergabe an Übersetzungen ist noch nicht zu Ende geführt. Aber das scheint Verlage in ihrer Programmarbeit nicht weiter zu beeinflussen. Aktuelles Beispiel: Carlsen samt seinem Imprint Kingschildren (z.dt. Königskinder).
Publishing Director Barbara King hatte schon in ihrem ersten Programm im Herbst 2014 unter Beweis gestellt, dass es außer Andreas Steinhöfel keine weiteren ernstzunehmenden deutschsprachigen Erzählerinnen und Erzähler gibt, die den hohen Ansprüchen genügen. Und weil der nicht zu den Vielschreibern gehört, kommt das Frühjahrsprogramm 2015 nun ganz ohne Originalausgabe aus. Dafür ist das Commonwealth mit den USA, Australien und Kanada programmfüllend vertreten.
Umso erstaunlicher ist, dass diese Grundeinstellung auch auf das erzählende Programm von Carlsen abgefärbt haben muss. Lässt man Reihen, Serien und Lesefutter weg, zählt man dort 14 Neuerscheinungen – die Neuausgabe einer Geschichtensammlung von, na, wem wohl, Andreas Steinhöfel ist dabei selbstverständlich nicht berücksichtigt. Von den 14 Titeln ist, na immerhin, eine von einer deutschsprachigen Autorin. Ansonsten: USA, England, ein Titel aus Frankreich.
Was lässt sich nun daraus ableiten? Natürlich die gern geäußerte Einstellung, in Deutschland fehle es an neuen erzählerischen Stimmen, am Nachwuchs mit Potential, gerade im Kinder- und Jugendbuch. Dieser Vorwurf ist nicht neu und aus vielen Verlagen zu vernehmen.
Vielleicht stimmt das zum Teil. Aber spielt man den Ball zurück in die Verlage, muss der Vorwurf auch lauten, dass immer weniger Verlage offenbar Lust haben, sich der Autorenentwicklung zu verschreiben. Weil es mehr Arbeit macht als auf den Buchmessen fertige Auslandslizenzen einzukaufen? Weil es in den Lektoraten an der Fähigkeit fehlt, Talente zu erkennen? Und mit ihnen zusammen Ideen und Geschichten zu entwickeln? Anders lässt sich ein Programm wie das von Carlsen nicht erklären. Denn vor wenigen Jahren noch gab es eine Reihe von jungen deutschsprachigen Autorinnen im Paperback, gab es ein großes Interesse an unveröffentlichten Titeln, die auf der Auswahlliste zum Oldenburger Kinder- und Jugendliteraturpreis standen. Und nun?
Eigene Autoren aufzubauen kostet Zeit, Mühe und Personal – das (er)sparen sich deutsche Verlage in der Tat gerne und kaufen daher lieber teure Lizenztitel ein, die zudem mit teurem Marketingmaßnahmen gepriesen werden. Oft geht die Rechnung gar nicht auf und die Titel floppen – die Folge: Sparzwang, insbesondere bei Marketing und Werbung deutscher Titel. Und noch etwas ist interessant: Oft werden literarische Kreativität und der Mut zu Neuem bei deutschen Autoren (und auch Illustratoren) von Verlagsseite sogar ausgebremst. So bestellt man beim Autor um die Ecke lieber die hundertste Piratengeschichte für den Massenmarkt und kauft dann „das besondere Buch“ im Ausland ein. Mein Eindruck: Viele interessante deutsche Texte für Kinder und Jugendliche werden gar nicht erst geschrieben, weil die Verlage sie bereits im Exposéstadium ablehnen oder auf Gefälligkeit trimmen.
Das war bislang auch mein Eindruck. Zum Glück gibt es noch Lektoren, die den Mut haben, sich diesem Trend entgegen zu stellen. Deutschland hat mit Sicherheit viele fähige Schriftsteller.
Wer hierzulande keine Chance bekommt, sollte vielleicht seine Werke übersetzen lassen, sie dann im Ausland veröffentlichen und schlussendlich als Lizenztitel den deutschen Markt stürmen. Irgendwo muss die Kreativität ja hin.
*Ironie aus*.