Die Wedernochs – Teil 1
dtv hat sein dtv junior, Random House sein cbj, Hanser sein Hanser und S. Fischer sein KJB, FJB und noch viele andere mehr: Es scheint so, als spiegeln diese Kinder- und Jugendbuchableger den Marktanspruch des jeweiligen Mutterverlages wieder. Aber es gibt Ausnahmen. Verlage, die ganz aufs Kinder- und Jugendbuch verzichten wie Piper oder Kiepenheuer & Witsch. Und Verlage, die aus Tradition heraus irgendwie doch auch so Kinderbücher machen. Es aber auch bleiben lassen könnten. Die Wedernochs. Wie Diogenes. Und wie Rowohlt.
Zu Rowohlt habe ich eine besondere Beziehung: Weil ich vor langer Zeit dort Lektor war. Und mein bisher einziges Kinderbuch dort erschienen ist. Ersteres ist 14 Jahre her, letzteres ist mit dem Rückfall der Rechte ebenfalls verjährt. Trotzdem: Vorangekommen ist das Programm seit jener Zeit nur im Schneckentempo. Es ist und bleibt ein Sammelsurium aus teils ambitionierten Titeln, teils zweitklassigen Trendmitläufern, teils krampfhaften Verlängerungen lange zurückliegender Erfolge und teils deplatzierten Notlösungen.
Vielleicht liegt das gar nicht mal nur am Reinbeker Verlagshaus. Es heißt, es wäre eine Entscheidung von Holtzbrinck, nur einem Konzernverlag Wachstum im Kinderbuch zu erlauben. Und die Wahl fiel auf S. Fischer. Also wurde dort das Kinder- und Jugendzimmer kräftig renoviert und ordentlich erweitert. Der Lütte aus Hamburg dagegen hatte ja sein kleines Zimmer. Die Tapete tut’s auch noch, damit soll der mal schön klar kommen.
Wie zum Hohn lagern in diesem Zimmer jetzt auch palettenweise stinkige Thea und Geronimo Stilton-Bücher. Die rochen nach einem ersten vergeblichen Anlauf bei C. Bertelsmann schon etwas streng, als sie eine zweite Heimat suchten. Und sie irrtümlich bei Rowohlt fanden. 38 Bände Geronimo, 8 Bände Thea, dazu noch Sonderausgaben, das klingt nach einem Stilton-Overkill in einem titelanzahlmäßig überschaubaren Programm. Außerdem: Eine Mäuse-Serie für Leseanfänger bei Rowohlt? Im Taschenbuch? Und Lesungstourneen in Plüschverkleidung? Mit Grauen erinnern sich Alt-Rowohltianer noch an Angela Sommer-Bodenburgs Kleiner-Vampir-Lesungen mit Sarg und Umhang – der ja als ebenso Untoter wie Unverkäuflicher noch immer sein Unwesen im Programm treibt, samt einmaligem Spin-off und einem 21. Band, der für 2015 angekündigt ist. Und dazu die Käsemaus, direkt neben Thomas Pynchon und Paul Auster? Das ist als würde Rowohlt Cindy aus Marzahn-Bücher verlegen in der Hoffnung auf einen späteren Literaturnobelpreis.
Wie schwer sich Rowohlt mit diesem Käse tut, zeigen auch die großartig in der Vorschau angekündigten monatlichen Aktivitäten auf der Geronimo-Stilton-Webseite. Seit April mausetot. Und das Mausefell des Vorlesers liegt seither in der Reinigung.
Und sonst so? Wieland Freund – weg. Cory Doctorow – weg. Alexa Hennig von Lange – weg. Der einzige, der noch da ist, ist Nils Mohl, was für ein Glück. Und Literatur für Kinder und Jugendliche? Tut sich noch schwerer, weil jetzt Bobo Siebenschläfer von Markus Osterwalder aufgewacht ist, mit neuen Abenteuern. Und allerneusten Abenteuern. Und irgendwo im Fernsehen zu sehen ist. Es ist und bleibt ein Trauerspiel, umsomehr, als ich mit diesem Verlag noch immer etwas verbinde.