Dann eben nicht

bildschirmfoto-2016-12-04-um-12-09-17Seit 1977 vergibt die Stadt Oldenburg den Kinder- und Jugendbuchpreis für Erstlingswerke, egal ob schon veröffentlicht oder noch unveröffentlicht. Die Rahmenbedingungen sind in den Vergaberichtlinien klar festgelegt. Unter Punkt drei heißt es darin: „Der Preis (…) kann geteilt vergeben werden.“ – wie bisher insgesamt 14 mal. Ergänzt wird er durch Punkt 11: „Sollten keine Arbeiten eingereicht werden, die prämierungswürdig sind, muss das Preisgericht den Preis nicht vergeben.“ – wie bisher aus inhaltlichen Gründen viermal.

2016 hat sich die Jury einstimmig entschieden, gemäß Punkt 11 den Preis nicht zu vergeben, weil sie zwar gute, aber kein preiswürdiges Werk finden konnte. Dafür hat sie sich über den Punkt acht der Vergaberichtlinien, in dem es heißt: „Die Jury (…) erstellt daraus eine Nominierungsliste, die maximal 3 (drei) Werke umfasst.“, hinweggesetzt und diesmal vier Titel nominiert. Vier Titel, die als Manuskripte eingereicht worden sind und zum Zeitpunkt der Einreichung  noch keinen Verlag gefunden hatten. Soweit klingt das wie ein ganz normaler Vorgang. Soweit.

Doch diesmal erntete diese Entscheidung reihenweise Kritik. Oder zumindest Beachtung. Die örtlichen Medien berichteten, im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels gab es einen längeren Artikel, auch die Süddeutsche Zeitung zitierte aus der Jurybegündung, die sachlich belegte, warum es in diesem Jahr keinen Preisträger gab: „Die neuen Autoren sind zu konform, nicht mutig und individuell genug.“ Eine Debatte ist in Gang gekommen, zum Beispiel geführt von den Kinderbuchautoren Salah Naoura und Jutta Wilke. Sie haben sich zurecht mit der implizierten Frage beschäftigt, welchen Anteil die Verlage, ihr Einkaufsverhalten und ihre Ansprüche an die Autoren auf die vorgelegten Werke haben. Wieviel Individualität und literarisches Experiment ist möglich, wenn man wirklich einen Verlag finden will?

Einer der nominierten Autoren konnte und wollte sich nicht so recht freuen: „Wie ich einmal fast einen Preis gewonnen hätte… … und auf eine “Empfehlungsliste” für den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2016 kam. Der eigentliche Preis wurde nicht vergeben. Die Jury fand keine der knapp 300 Einsendungen preiswürdig. Fühle ich mich nun trotzdem gelobt – oder in Grund und Boden empfohlen?“ Tja, das kann die Jury beim besten Willen nicht beantworten. Weder haben Autoren ein Anrecht darauf, dass Preissummen zwingend ausgezahlt werden müssen, noch müssen Jurys zwingend Preisträger benennen, wenn das nicht verbindlich vorgeschrieben ist – in vollem Bewusstsein über die für manche Autoren schwierige finanzielle Lage.

Darum zielt Kritik an dem Gebaren der Jury bezüglich der Vergabe bzw. Nichtvergabe des Preises ins Leere. Vier statt drei Titel haben eine Sichtbarkeit gefunden, die ihnen und den Autoren auf dem Weg zu einem Verlag bzw. zu einer Veröffentlichung hilft. Eine Debatte ist angestoßen, die deutschsprachige Autoren und ihre Verlage zu führen haben. Den Preis wird es auch im kommenden Jahr wieder geben. Und auch einen Preisträger. Wenn die Jury überzeugt ist.

(Ralf Schweikart als einer der fünf Juroren des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises)