Bildungs-Meinung zur Meinungsbildung (Herbstprogramme mal politisch Teil 1)
Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Höchste Zeit, die Aussagen und Ideen rund um Bildung und Kultur mal genauer zu prüfen. Denn neben unziemlichem Lachen (Laschet), Lebenslauftricksereien (Baerbock) und – wer war noch mal dieser charismatische Volkstribun? – (ach so, Scholz) geht es in der öffentlichen Wahrnehmung ja vor allem um Windparks, weiter so und Gendersternchen. Und nicht um Bildung und Kultur. Oder sind diese Themen in den Wahlprogrammen doch wichtig? Weil einer ja die Drecksarbeit machen und nachsehen muss, also los.
CDU (140 Seiten) „Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland.“ Bildung? Kommt so direkt benannt nicht vor, am ehesten vielleicht in Kapitel 6 „Neues Aufstiegsversprechen – für Deutschland als Chancen- und Familienland“ unter 6.3.: „Aufstieg durch Bildung“. Stimmt, hier ist was. Was die CDU will? Ganz viel sprachliche Bildung fördern, also den Erwerb der deutschen Sprache. Von Lesen und Schreiben lernen und können steht da nichts. Wer’s nicht gut kann, der wird durch das längst beschlossene Unterstützungspaket aufgefangen. Dadurch bekommen die Kinder „ihre Lese- und Sprachkompetenz als auch ihre Lesefreude“ gestärkt, na klar. Viel wichtiger ist der CDU „Neben den Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen benötigen die Schülerinnen und Schüler digitale Kompetenzen.“ Au ja. Aber sollten sie dazu nicht erst mal die erstgenannten Kulturtechniken beherrschen?
Kultur? Ist im letzte Kapitel 10 „Neue Lebensqualitäten in Stadt und Land – aus Liebe zu unserer Heimat“, als Kapitel 10.5.: „Deutschland als Kulturnation“ untergekommen. „Das Programm „Neustart Kultur“ wird für alle Sparten und Akteure fortgesetzt.“ heißt es. Und kurz danach: „Die deutsche Sprache ist ein besonders wichtiger Teil unserer Identität. Wir wollen sie weiterhin fördern und wertschätzen, als Kultur-, Amts- und Umgangssprache.“ Genau, wertschätzen. Ist ja wie im Job, wenn der Chef einen statt mit Gehalt mit einem jovialen Schlag auf die Schulter wertschätzt. Und im nächsten Punkt heißt es noch: „Wir stehen für die Pflege und den Erhalt alter Bräuche, Trachten und Volkstänze sowie heimatlichen Liedguts.“ Genauso ein Lulli: Für etwas stehen. Kostet nachher keinen Cent, wäre ihr daber dann doch vielleicht zu peinlich, Heino steuerlich absetzbar zu machen.
SPD (66 Seiten) „Aus Respekt vor deiner Zukunft. Das Zukunftsprogramm der SPD.“ Bildung? Hat es leider nicht in eine der vier Zukunftsmissionen zu Beginn geschafft, sondern ist vermutlich unter Kapitel 3.0 zu finden: „Eine Gesellschaft des Respekts“, vermeintlich in Kapitel 3.7. „Gut aufwachsen.“
Ja, da ist es versteckt. Wie man unter einer SPD-geführten Regierung gut aufwächst? Mit mehr Familienzeit, mehr Kinderkrankentagen und Familienpflegezeit sowie einer Kindergrundsicherung wie beitragsfreie Kitas, Ganztagesschulangebote, freie Fahrt in Bus und Bahn. Und dazu kommt „die Bundesinitiative Chancengleichheit in der Bildung. Durch ein Bundesprogramm für Schulsozialarbeit werden den Kommunen Mittel zur Förderung von Chancenhelfern an jeder Schule bereitgestellt.“ Das hat ja schon bei den Integrationshelfern allerhöchstens so ein bisschen geklappt. Undist das dann ein Ausbildungsberuf? Chancenhelfer? Ich kenne ja nur den Chancentod, aber das ist ein anderes Thema. Zu Bildung allgemein ist da nichts gesagt, zum Lesen und Schreiben auch nicht. Vielleicht doch in einem anderen Kapitel? Ich habe durchgeblättert, nein, leider nicht, mehr Bildung und noch mehr Bildungsziele gibt es bei der SPD nicht, jedenfalls nicht im Wahlprogramm.
Kultur? Unter 3.11 „Kultur fördern“ zu finden. „Zur besseren sozialen Sicherung von freischaffenden Künstler*innen werden wir Mindestgagen und Ausstellungshonorare fest etablieren.“ Also Mindestlohn für Kleinkünstler. Hier wäre eine Zahl durchaus hilfreich gewesen, um sich den Künstlermindestlohn besser vorstellen zu können. Dafür gibt es wenigsten andernorts eine Aussage: „Teilhabe an Kunst und Kultur ist ein Schlüssel zu Selbstbewusstsein, Persönlichkeitsentwicklung, Bildung und Integration. Wir werden sie auch durch Programme wie „Kultur macht stark“ nachhaltig als Teil schulischer und außerschulischer Bildung sichern.“ Wobei das Politschwurbeldeutsch hinter „sichern“ auch wieder nur ein schwammiges „es geht dann irgendwie weiter“ nach 2022 steckt, so lang läuft das Förderprogramm eh. Das dringend die wirren Förderanträge als Bürokratiemonster zu hinterfragen sind, an dieser Stelle geschenkt. Das es seit 1963 neben diesem Förderprogramm die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) gibt und die viele der Inhalte längst umsetzt, aber auch an der langen und sehr, sehr hageren Hand der öffentlichen Förderung hängt, dazu kein Wort. Und nicht mehr Geld. Schade.
Grüne (272 Seiten): „Deutschland. Alles ist drin.“ Bildung: Kapitel 4 „Bildung und Forschung ermöglichen“, Im Absatz „Wir fördern gute Bildung von Anfang an“.
Bildung? Hier findet man die Bildung wenigstens auf Anhieb. Aber auch die Grünen haben es mit Lesen und Schreiben nicht so. Chancengleichheit ist aber auch hier Thema, und die darf gerne mal in der Muttersprache gefördert werden. „Dazu gehört es, systematische Vorsorgearbeit zu leisten, Lernrückstände zu schließen und deutsche wie auch muttersprachliche Sprachfertigkeiten zu fördern. Mehrsprachigkeit sollte als Reichtum begriffen werden und nicht als Defizit.“ Dafür ist die Digitalisierung ganz wichtig, „mit einer zeitgemäßen, datenschutzfreundlichen digitalen Ausstattung und mit Strukturen, die die Schulen beim digitalen Lehren und Lernen wirkungsvoll unterstützen.“ Wofür ja der Digitalpakt gedacht war, wenn er denn funktionieren würde. Aber die Grünen sind noch schlauer, sie haben erkannt, dass es „Für notwendige Maßnahmen (…) eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Länder.“ braucht, was ja insofern wieder blöd ist, als wir eine Bundestagswahl haben und die am Ende egal in welcher Zusammensetzung gar nichts mit der finanziellen Ausstattung der Länder zu tun hat und schon gar nichts mit den jeweiligen Budgets der Kultusministerien. Verdammt.
Kultur? Kapitel 5 „Zusammenleben“, im Absatz „Wir fördern die Kultur, die Künste und den Sport“. So, jetzt aber wirklich mal eine Aussage, auf deren Umsetzung man später drängen könnte, oder?: „Solo-Selbständige und Kulturschaffende sollen für die Zeit der Corona-Krise mit einem Existenzgeld von 1.200 Euro im Monat abgesichert werden.“ Wobei das „sollen“ schon sehr nach Verhandlungsmasse für Koalitionsgespräche klingt. Aber auch die Urheber*innen kommen in einem langen Absartz vor: „Es muss sichergestellt werden, dass Urheber*innen für ihre Werke eine angemessene Vergütung erhalten. Eine angemessene Beteiligung, insbesondere an den Gewinnen der Vertriebsplattformen, sorgt dafür, dass Kultur- und Medienschaffende weiter an ihren Werken verdienen können. Nutzer*innen sollen bei digitalen Inhalten bei der Ausleihe und Weiterveräußerung nicht schlechter-gestellt werden als bei analogen Gütern. Aus diesem Grund sollen Bibliotheken unter denselben Bedingungen E-Books verleihen dürfen, die sich für physische Bücher bewährt haben, ohne dafür Lizenzverträge abschließen zu müssen.“ Ja, da haben die Grünen was vor, was zeitgemäß wäre, aber schwer umzusetzen. Aber es stellt eine deutliche Verbesserung der Urheber-Situation dar, und die Grünen haben sehen sie wenigstens.
In Teil 2 dann die Parteien, die auch noch im Bundestag vertreten sind, aber geringe bis keine Chancen auf eine Kanzlerschaft haben.