Wenn dein Buch weiß, wie du heißt

Kinderbücher: Das kann so vieles sein. Dick, dünn, groß, klein, bunt, einfarbig, schön, billig, selbstgemacht, unlesbar. Es gibt auch ganz besondere Angebote, die so etwas wie eine spezielle Nische bilden. Zum Beispiel das personalisierte Buch. Noch ist keiner auf die Idee gekommen, in einem Krimi den Namen des Kommissars personalisieren zu lassen, damit sich der Leser als der Held fühlen kann, der nachher den massenmordenden Psychopathen überführt. Aber Ideen gab es schon, Produkte und reale Menschen mit Selbstdarstellungsdrang sich in Romane einkaufen zu lassen.

Ungefähr in dieser Kategorie spielt das sogenannte personalisierte Kinderbuch, mit einer gehörigen Qualitätsspanne. Das reicht einerseits von framily, dem aus dem Hause Oetinger stammenden Angebot, bis hin zu Ständen auf regionalen Märkten oder Volksfesten, wo neben der allerneusten Universalküchenreibe und dem „Ihr Name auf einem Reiskorn“ auch jemand mit seinem Tapeziertisch steht, der ein paar Ansichtsexemplare herumliegen hat und verspricht, nach Aufnahme der Daten die Bücher mit dem Namen des Kindes innerhalb der nächsten 14 Tage zu produzieren und zu schicken, auf Vorkasse natürlich.

Weil Digitaldruck dahintersteht liegt es auf der Hand, den Produktionsprozess gleich ganz in die digitale Welt zu verlegen. So macht framily das. Und so macht es auch das Online-Angebot von Hurra Helden. Ein großer bunter Baukasten, um so nah dran am echten und in der Regel beschenckten Kind wie nur irgend möglich eine Geschichte zu erzählen. Behaupten die Betreiber. Und tun alles, um den Aufwand hinter ihren Büchern möglichst groß erscheinen zu lassen.

Praktischerweise kann man auf der Website auch schon mal in die Bücher hineinlesen, als erste Orientierung. Und da fällt doch vieles zusammen wie ein Kartenhaus. Wie in dem augenblicklich voll im Trend liegenden Buch Jonas (hier steht dann der individuelle Name), wo wäscht du dir die Hände?. Das so beginnt: „„Jonas, Frühstück!“, wurde unser Held, eines schönen Sonntagmorgens aus dem Schlaf geweckt, während es aus der Küche duftete. Mama hatte gerufen und die Pfannkuchen dufteten.“ Es duftet halt viel und die Interpunktion ist auch dufte, aber falsch. Aber bevor es Pfannkuchen gibt, soll sich Jonas noch die Hände waschen. Was er nicht kann, weil er sie sich ja sonst immer im Meer wäscht, warum auch immer. Da hat er die Rechnung aber ohne Mama gemacht, die zum hamletadäquaten Stream of Consciousness ansetzt: „“Versuche es“, erwiderte Mama. „Dir wird auf jeden Fall nicht langweilig sein. Du wirst auf Segelschiffe treffen, die den Wind in den Segeln fangen, auf Möwen, die ihn in den Flügeln fangen, und falls du eine Mütze trägst, wird sie vielleicht auch vom Wind gefangen und segelt einem Wal auf den Kopf.“ Ich bin gefangen und segle durch die sich aufblähende Einfalt der Sprache dahin, auf das mir ja nicht langweilig werde.

Wenn mich das nicht überzeugt, dann aber die drei Argumente fürs Buch, mal von der Individualisierung abgesehen. „Geeignet zum Lesen lernen. Buchstaben und Wörter geeignet für das Erlernen des Lesens kleiner Buchstaben.“ Hä? Kleiner Buchstaben? Meint das jetzt die Schriftgröße? Oder den ordinären gemischten Satz aus Groß- und Kleinbuchstaben? „Einfacher Text. Die Geschichte ist einfach und eignet sich auch für die Kleinsten.“ Merkt man. Und mein Lieblingsargument: „Es treten Tiere auf. Wal, Hecht, Flusskrebs … und viele weitere Tiere.“ Wobei sich definitiv keines davon Gedanken übers Händewachen machen muss. Und natürlich Bücher mit Flusskrebsen für mich definitiv, also, da geht nix drüber.

Billig ist das Ganze nicht. Wobei der Aufwand in der Produktion eher überschaubar ist, Über die Funktion Suche – Ersetze wird im Textdokument der Name des Kindes angepasst. Die optische Anpassung geht über vorab definierte Bereiche wie die Augen und Haarfarbe, Brille und Sommersprossen, die einfach in zur Auswahl stehenden Varianten abgelegt sind. Dann neue Datei abspeichern, zum Digitaldrucker schicken, fertig. Aber 24 bis 44 Euro pro Buch? Im Direktversand? Wow, das klingt nach gutem Geschäft. Für die, die es machen. Vor allem, wenn man ins Impressum schaut. Hinter Hurra Helden steckt Hooray Studios aus Ljubljana, die das Geschäftsmodell seit 2013 international betreiben. Mit eigenen Kreativen, die die Geschichten visuell und textlich entwickeln. Und dann offenbar von Google übersetzen lassen.

Wenn ich mich traue, dann reagiere ich auf der Website auf  Lea, der virtuellen Assistentin, die mich permanent anstupst: „Hallo! Wie kann ich Ihnen helfen?“ und frage zurück: „Hallo! Wie wäre es mal mit richtigen Geschichten für Kinder und nicht nur mit gefühlsduseligem Automatendeutsch für Väter und Mütter, um ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen?“ Ich wäre gespannt.