No Hummel, no cry

Die Hummeln summten es von den Dächern: Nach dem Herbstprogramm 2021 ist Schluss mit der Hummelburg. Dem ein oder der anderen mag es bislang noch nicht aufgefallen sein: Hmhm, die Hummelburg war und ist noch immer der Kinderbuch-Imprint von Ravensburger. Quasi der urbane Ableger des oberschwäbischen blauen Dreiecks.

Immerhin. Das bei der Gründung im Jahr 2018 von Dr. Anuschka Albertz, Geschäftsführerin des Ravensburger Verlages, als Deadline für das Schreiben von schwarzen Zahlen postulierte „2020“ ist um ein Jahr übertroffen worden. Was aber nicht automatisch heißen soll, dass 2020 schwarze Zahlen geschrieben worden wären. Ein Ziel übrigens, das bei einer realistischen Eischätzung außerhalb von Ravensburg bei einem Programmstart im Herbst 2019 – also mit drei Programmen – eh nahezu unerreichbar war. Ebenso wie offenbar ein positives Ergebnis ein Jahr später. Das können dann selbst Plattitüden wie „Markus Niesen hat mit seinem Team großartige Arbeit geleistet und mit viel Leidenschaft den Hummelburg Verlag aufgebaut.“ nicht verschleiern. So wertschätzend verabschiedet werden auch Bundesligatrainer, wenn ihr Team auf einem aussichtlosen Abstiegsrang steht. Und als vermeintlich literarisches Aushängeschild im umkämpften Kinderbuchsegment gewann die Hummelburg eben auch keine Preise und Auszeichnungen. Womöglich der strategische Hintergrund für diese Entscheidung.

Spannender ist dagegen die Frage, warum manche jungen Verlage es am Markt offenbar erfolgreicher machen. Zum Beispiel Verlage wie Zuckersüß, ebenfalls 2019 gestartet, oder der Mentor Verlag. Sie nutzen die Sozialen Medien und ihre Webseite, um ihre Bücher direkt zu verkaufen. Interessanterweise beide mit ähnlich happigen Preisen von 24 € bzw. 24,90 € für ein handelsübliches Bilderbuch. In diesem Online-Geschäft spielt plötzlich das alte Subskriptions-Modell wieder eine Rolle. Lupita Nyong’o Bilderbuch Sulwe ist jetzt bei Mentor im Vorverkauf, geliefert wird am 29. März, pünktlich zu Ostern. Schlau gedacht, denn produziert wird größtenteils nur, was längst verkauft ist, und nicht fürs Regal in der Verlagsauslieferung. Aber auch die Inhalte sind sehr „social“. Ein Bilderbuch des berühmten Moderators und Comedians Jimmy Kimmel, Sulwe mit seiner schwarzen Heldin und einer Geschichte über „die Schönheit der schwarzen Haut“, wie die Gründerinnen des auf Vielfalt Wert legenden Onlineshops tebalu sagen, so was funktioniert in Communities und im Netz. Hummelburg? Hat nicht mal eine eigene Website.

Andere jüngere Verlage, die sich behaupten, sind zum Beispiel Mixtvison oder Klett Kinderbuch, aus unterschiedlichen Gründen. Mixtvision traut sich ebenfalls, mutig auf der Marketing-Klaviatur zu spielen und nutzt jetzt Tiktok als Kanal, um in der Zielgruppe der jungen Leser*innen Sichtbarkeit zu schaffen. Das Programm nimmt seinen Anspruch ernst, die Verlagsauszeichnungen für Titel und den Verlag an sich machen das deutlich. Und Klett hat sich ein ziemlich unverwechselbares Profil mit klaren Ecken und Kanten erarbeitet. Es gibt Bücher und Themen, die man blind Klett zuordnen kann, mit einer hohen Trefferquote. Und es gibt Bücher, die da halt nicht erscheinen, weil sie nicht passen. Hummelburg? Weder noch.

Das böse Wort aus der Ökonomie heißt Marktbereinigung. Wer sich nicht durchsetzen kann oder zumindest in einer Nische erinrichtet, der wird irgendwann geschluckt oder bereinigt. Dass Ravensburger es sich hätte leisten können, den emsigen Hummeln mehr Zeit zu geben, ist unstrittig. 20 % Umsatzwachstum 2020, „Kinderbücher, tiptoi® Produkte (…) waren besonders gefragt“, und „Zweistelliges Wachstum erzielte auch die Kinder- und Jugendliteratur“ sollte den nötigen finanziellen Spielraum geben. Aber nein, die unternehmerische Entscheidung ist eine andere, es gibt halt keine Rot-Schwarz-Schwäche in Ravensburg. Das kleine Insektenhotel in Hamburg leert sich nun. Summ.