Mimimi!

Die Geschichte geht so: Das Kinderbuchlektorat des Baumhaus Verlages hat eine Kinderbuchidee entwickelt und als Experiment selbst umgesetzt. Herausgekommen ist ein fantastischer Abenteuerroman für Leser ab 10 mit dem Titel „Die geheime Drachenschule“, in diesem Herbst veröffentlicht unter dem Pseudonym Emily Skye (hinter so einem Namen könnte sich ja auch glatt eine Fitnessbloggerin verbergen, aber …. hupps?) So weit, so unspektakulär. Und so schlecht, jedenfalls in den Augen einiger Autorinnen und Autoren. Schon hagelte es in schulklassenstärke Kritik auf einen Facebookpost auf „Was mit Kinderbüchern“ von Stefanie Leo.

Es beginnt mit dem Vorwurf, das Lektorat habe ja bloß ein bis zwei professionelle Kinderbuchautoren angefragt, ob sie Lust und Zeit für eine solche Auftragsarbeit hätten. Die sagten ab, und daraufhin startete das Lektorat den Selbstversuch. Logisch, dass alle, die sich jetzt melden, den Auftrag gerne angenommen hätten, hätte man sie nur gefragt.
Damit einher geht die massive Kritik, dass ein Lektor eben Lektor sei und kein Autor. Schärfer noch: Was maßen sich diese Lektorinnen eigentlich an, wenn sie ihr Vorgehen auf besagtem Facebookkanal damit erklären, einen „Perspektivwechsel“ zu wagen sei gut, weil „… es ist doch wichtig, sich auch in einen Autor hineinversetzen zu können, wenn man mit ihnen arbeitet“, wie eine der Lektorats-Autorinnen in einer Antwort auf Autorenschelte erklärt. So einfach geht das nicht, da sind sich viele Autoren einig, bemängeln fehlenden Respekt und beschreiben dann, was einen professionellen Schriftsteller ausmacht. Selbständigkeit gehört zum Autorenberuf, ein „Fulltime-Job“ ist das, „der einem alles abverlangt“, „ein Jahr lang (allein) schreibt der Autor an seinem Buch, (mit einer möglichst originellen Idee, die es so noch nicht gab)“, auch die Möchtegern-Autoren von Baumhaus hätten sich bei anderen Verlagen bewerben müssen, mitsamt mühsamen Vertragsverhandlungen und so weiter und so fort. Kann man ja noch nachvollziehen.

Und plötzlich kippt die Diskussion, wird es hanebüchen. „Nicht mehr der freischaffende Schriftsteller bestimmt den Inhalt einer Geschichte, sondern die Geschäftsführung eines Konzerns ganz direkt über das eigene festangestellte Verwaltungspersonal. Das ist nicht weniger als ein Angriff auf die Freiheit der Kunst und Kultur.“ wird es gleich pauschal. Jawoll ja, bis zum „DDR-Kulturprinzip“ ist es jetzt auch nicht mehr weit.
Was für ein Bild des Autors wird dabei eigentlich vermittelt? Der Autor als Wesen zwischen Spitzwegs armem Poet, romantischem Genie und konzerngesteuertem Schreibroboter? Von dem keine Abweichung zulässig ist?

Zurück zum Anfang: Ein Lektoratsteam hat ein Buch entwickelt und geschrieben. Ziemlich marktorientiert „als „Die perfekte Mischung aus Die Schule der magischen Tiere und Drachenzähmen leicht gemacht, wie es freimütig in der Vorschau heißt. Stimmt. Clever kombiniert, aber es klingt definitiv nicht nach einer Idee, die es noch nicht gab. Oder hätte geben können.

Es war eine angebotene Auftragsarbeit. Fertige Grundidee, fertiger Plot, bitte ausführen. Das hat mit Kunst und einem Jahr Schreiben in der Kemenate nicht viel zu tun. Sondern ist Handwerk.

Und liegt die Vorstellung, dass Lektoren schreiben können, so weit außerhalb des Vorstellbaren? Kurz nachgedacht: Die Lektorinnen und Lektoren Ilona Einwohlt, Uwe-Michael Gutzschhahn, Gudrun Likar, Karin Gruß, Susanne Weber, Angelika Kutsch, die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen, haben nebenbei geschrieben oder schreiben. Weil sie viel Verständnis für das Erzählen von Geschichten und ein Gefühl für Sprache haben. Ach ja, im Falle von Angelika Kutsch kommt auch noch das Übersetzen dazu, mehrfach! Von den Illustratoren ganz zu schweigen, die auch schreiben. Zum Beispiel Cornelia Funke. Die hat Buchillustration studiert und schreibt trotzdem. Autoren hätten die Tintenherz-Trilogie auch gerne ausgearbeitet, wenn Cornelia Funke sie gefragt hätte. Oder Paluten! Der macht doch YouTube-Videos, wieso steht der jetzt mit einem Roman auf der Bestsellerliste?

Diese Scheindebatte führt leider zu nichts, weil sie aus unscharfen Vorstellungen und eigenen Erfahrungen allgemein gültige Maßstäbe ableitet. Ist das wirklich ein Grund, warum es im Verhältnis von Autoren und Verlagen großflächig knirscht? Weil bei Baumhaus ein Buch erscheint? Naja.