Kinder lesen doch total viel, oder?

Gute Nachrichten nimmt man mit Handkuss. Wie die Ergebnisse des Kinder Medien Monitors 2021. Denn trotz oder gerade wegen Corona und Homeschooling sind Kinderzeitschriften echte Gewinnertypen. Die verkauften Auflagen sind gestiegen (das zeigen auch die bereinigten und sehr verlässlichen IVW-Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V.), das Zeitschriftenlesen ist beliebt und wird von den Eltern auch gern gesehen. Also alles gut, oder?

Für die kleinen Konsumknirpse bestimmt. War es auch in den vergangenen Jahren schon. Denn Kinderzeitschriften funktionieren. Insbesondere, wenn sie sich an bekannte Marken aus Kinderzimmer und Fernsehen anhängen. ABER. Die Auflagen sind bei Weitem nicht furchteinflößend. Zur Erinnerung: 1991 verkaufte sich Micky Maus noch 650.000 mal. Die heutige verkaufte Auflage liegt bei 76.772 (1. Quartal 2021 lt. IVW). GEOlino hatte 2001 rund 170.00 Abonnenten, heute sind es noch 96.864, immerhin. Das erfolgreichste Kindermagazin 2021 heißt LEGO NINJAGO. Eine Ninja-Kämpfer-Welt aus LEGO-Klötzchen, im Heft umgesetzt in „actiongeladenen Comicstories, mit jeder Menge Hintergrundinfos, kniffligen Rätseln und interaktiven Gewinnspielen“, fertig ist das Ding für schlappe 4,99 €. Die verkaufte Auflage von 169.157 Exemplaren reicht locker für den Spitzenplatz aus. Ergänzt wird die Ninja-Welt noch durch Card Game Serien, Sticker und Sonderausgaben. Und auf LEGO kann man echt bauen. Auf Platz vier liegt LEGO NINJAGO LEGACY, gefolgt von LEGO CITY und auf Platz acht von LEGO STAR WARS. Dazwischen platzieren sich unter anderem das Prinzessin Lillifee-Magazin und das Lustige Taschenbuch.

In der gesamten Top 50- Liste gibt es außer Marken und Tieren nur noch GEOlino, GEOlino mini und Dein SPIEGEL sowie mit selbsterhobenen Zahlen und damit ungeprüft ZEIT Leo. Der Rest sind zusammengeschustertes Umfeld für Werbeanzeigen der jeweiligen Marken, dass sich ziemlich deckungsgleich nach dem Rezept Comic, Hintergrundinfo, Rätsel und Gewinnspiel aufbauen lässt. Ob mit Ninjas, Pferden, der Maus oder Peppa Pig – einerlei, zu jeder Figur lassen sich wunderbar In-Magazin-Käufe andocken, und statt lesen heißt es stattdessen „Darf ich den neuen Ultraschall-Raider?“ (für 84,99 €) oder „Kaufst du mir das neue BIG-BLOXX Peppa Pig Haus?“ (für 49,99 €)

27 der unter den Top 49 gelisteten Titel stammen im Übrigen von Blue Ocean, dem unangefochtenen Marktführer für Kiosk-Kinderzeitschriften. Wie aus dem Baukasten können da nach Bedarf und in Windeseile zu jedem neuen Charakter Magazine auf den Markt geworfen und nach Abflauen der medialen Aufmerksamkeit wieder eingestellt werden.

Das ist nur die eine Erkenntnis. Die andere bezieht sich auf den oberen Rand der untersuchten Altersgruppe. „Zwischen zehn und elf Jahren sind Kinder in der digitalen Welt angekommen. Das zeigt sich gleichermaßen an Interesse, Nutzungsverhalten & Freizeitgestaltung der Kinder und am Vertrauen der Eltern und den Freiräumen, die sie ihren Kindern geben.“ Will heißen: Ab jetzt werden die Abos gekündigt und die Zeitschriften verlieren an Bedeutung – auch wenn das im Kinder Medien Monitor so nicht steht. Bei den Jugendzeitschiften angekommen wird die Leselust dann ganz dünn: Eine BRAVO dümpelt heute bei monatlicher Erscheinungsweise bei 82.318 verkauften Exemplaren dahin, die verkaufte Auflage ist seit 1998 um 91,5 Prozent gesunken. Das gleiche gilt auch für die BRAVO SPORT mit einem Minus von 84,9 Prozent seit 1998 und die BRAVO GIRL mit einem Verlust von 92,3 Prozent seit 1998. Und die IVW-Liste der Jugendzeitschiften sieht aus wie ein Mahnmal für Gefallene: hinter 90 Prozent der Titel steht der Hinweis: „passiv“, heißt nicht mehr gemeldet, heißt eingestellt. So ist das mit den vermeintlich guten Nachrichten.