Der NDR-Bär hat Ohrensausen

Ergänzung vom 17. Juni: Aufgrund dieses Beitrages und der Resonanz auch auf Facebook hat sich der Pressesprecher des NDR, Frank Jahn, gemeldet und auf die Pressemeldung des NDR vom 15. Juni verwiesen (also veröffentlicht einen Tag nach meinem Blogbeitrag, der wiederum auf dem Artikel des Hamburger Abdendblatts vom 12.06. basiert). Darin wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass es Mikado auch weiterhin im „linearen Radioprogramm“ geben wird. Und „Die Kinderredaktion bleibt bestehen“. Alle andersartigen Aussagen diesbezüglich seien falsch. Aber eben nur die in Bezug auf Mikado.

Der NDR muss sparen. Und hat aus seinem weltumspannenden Korrespondenten-Netzwerk einen Tipp aus Brasilien bekommen, wie man Krisenzeiten für politisches Handeln nutzen kann. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, da die Presse sich ausschließlich mit Covid-19 beschäftigt, uns das Amazonas-Thema vorzunehmen. Wir haben in diesem Moment die Chance, alle Regelungen zu ändern und die Vorschriften zu vereinfachen.“ sagte Brasiliens Umweltminister Ricardo Salles in einer Kabinettssitzung. Na klar, das geht auch beim NDR. Weil keiner kuckt, will man im Rundfunk Information stärken und Kosten senken (klingt alles andere als kausal), und schon waren die Kindersendungen Ohrenbär und Mikado gestrichen. Auch Hörspiele für Kinder sollen, im Gegensatz zu denen für Erwachsene, nicht mehr im Programm auftauchen.

So zusammengefasst klingt das nach hartem Schnitt. Herzlos. Als hätte man sich eiskalt von diesen nervigen Kindern als Zuhörergruppe getrennt. Wie ein Fall für den Kinderschutzbund. Ist es auch. Aber es soll bitteschön nicht so klingen. Sondern lieber konstruktiv, zukunftsweisend, planvoll.

Darum sagt Adrian Feuerbacher, Chefredakteur des NDR, auch wie es weitergehen soll: „Wenn wir mit unseren hochwertigen und unter großem Aufwand entstehenden Audioproduktionen für Kinder ein größeres Publikum erreichen wollen, müssen wir mehr Inhalte konsequenter digital anbieten. Wir müssen dorthin, wo Eltern und Kinder aktiv nach Kinderinhalten suchen und sie gezielt nutzen.“ Das klingt wie der Satz „Das behandeln wir konservativ“ beim Blick auf einen komplett verkorksten Knochenbruch. Beruhigt, wird aber nicht wieder gut.

Denn man will gerne die Logik in dieser Schlussfolgerung erkennen und ist verblüfft: Eltern und Kinder suchen digital aktiv nach Kinderinhalten und nutzen sie gezielt? Aber warum nur digital und nicht im Radio und in den Mediatheken der Radioprogramme? Oder beides? Und dann mit einem Grad an Wertschätzung für Kinder als der nachfolgenden Zuhörer*innengruppe, weil auch für sie Sendezeit eingeplant ist? Beim Blick auf andere Programmplätze und Inhalte wird nicht klarer, warum ausgerechnet Kinder nicht mehr bedient werden sollen. Wer hört sich denn heute, am Sonntag morgen, um 7:30, eine Reportage über den wilden Osten Grönlands an? Im Funk? Ohne Bilder? Dafür läuft das Feature „Gemeinnütziger Widerstand“ von 11:05 bis 12 Uhr auch noch mal von 15:05 bis 16 Uhr. Warum auch immer. Kleiner Tipp: Einfach digital anbieten. Wo Interessierte und Radiogourmets aktiv nach Inhalten suchen und sie gezielt nutzen.

Wer sich anschaut, was Mikado in Corona-Zeiten für die Kinder zuhause angeboten hat, hat auch eine Idee davon bekommen, welche Rolle Radio spielen kann. Und zwar mit Information, die laut eigener Aussage der NDR ja stärken will. Mehr Information, weil die Kinder mehr Zeit dafür hatten. Auch für die engagierten Mitarbeiter*innen ist das Abschieben aus dem Radioprogramm womöglich nur der erste Schritt.

Vielleicht blendet der Erfolg von FUNK ein wenig, dem öffentlich-rechtlichen Medienangebot für Jugendliche von ARD und ZDF. Das gibt es nur im Netz, auf Youtube und Instagram als Hauptkanälen. Mit einem satten Budget in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe. Mit vielen Influencern als Protagonist*innen. Das lässt sich nicht so einfach übertragen auf Kinder und Kinderangebote. Aber was weg ist ist weg. Und kommt nicht mehr wieder.