401 Unauthorized – E-Books für Schüler

Dorothee Bär, Staatsministern im Kabinett Merkel, möchte endlich die Schulen digitalisieren. Schnelles Internet für alle, Volocopter statt Elterntaxi und „Tablet, Sportsachen, Schulbrot“, mehr braucht kein Kind  dabei zu haben, wenn es morgens ins Klassenzimmer schlurft. Sie ist ja schließlich davon überzeugt: „Besser die Schüler lesen Goethes ‚Faust‘ auf dem Tablet als irgendeinen Schund auf Papier.“ Was zwar irgendwie gegeneinander auszuspielen keinerlei Sinn ergibt, zumal der Alltag eher so aussieht: Goethes Faust auf Papier, Schund als E-Book.

Und jetzt? Haben dank Digi-Doro die Pädagogen Oberwasser, die erst mal E-Books und -Reader als Lehrmittel einsetzen möchten und das schon als Beleg dafür sehen, was für ein Digital Native Teacher sie sind. Belege für entscheidende Vorteile gibt es seit Jahren, behaupten sie. Und die Doro. Die noch mit dem zentnerschweren Diercke-Weltatlas in die Schule geschickt wurde, in dem es zwei Deutschlands, aber nur eine Sowjetunion gab. Siehste! Denn auf einem Tablet oder einem Reader wären immer die aktuellsten Versionen. Und wiegen würden die fast nichts.

Schon 2011 schloss die Stiftung Lesen aus Studienergebnissen, dass „durch E-Books Bücher für Schüler attraktiver werden“, insbesondere für leseferne Kinder und Jugendliche. Ein Trugschluss. Weil die Studie amateurhaft angelegt war. Die Ergebnisse hanebüchen interpretiert. Die Erfahrung in den wenigen Fällen, in denen das ausprobiert wurde, ernüchternd.

2016 legte die Bitkom, der Branchenverband der digitalen Wirtschaft, nach. 43 Prozent der befragten LehrerInnen würden E-Books im Unterricht einsetzen. Bloß: Daraus wurde nichts. Bis heute liegt der Gesamterlös im Schulbuchmarkt für E-Books bei mageren 4,3 Prozent. Dieser Diskrepanz zum Trotz veröffentlicht das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PWC jetzt neue, rosarote Zahlen und platzt beinahe vor Zuversicht. „Digitale Bildung: E-Books an Schulen vor dem Durchbruch“. Warum? Weil Eltern das mehrheitlich befürworten. Digital-Mama und -Papa sehen bestimmt die vielfältigen Funktionalitäten, die Vernetzungsmöglichkeiten und neue multimediale Unterrichtsmodelle als den großen Vorteil und als zukunftsweisend an? Ach nein, doch nicht. Gewichtsersparnis und geringerer Platzbedarf sind die schlagenden Argumente.

Umso strenger geht der Digitalstratege Dr. Harald Henzler, ehemals Verlagsleiter beim Carl Hanser Verlag und bei Haufe Lexware, mit dem Thema um. Seine Aussage „E-Books an Schulen? So ein Quatsch!“ entstammt nicht einer nostalgischen Verklärung des gedruckten Buches, sondern zerpflückt die E-Book-Initiative als allzu halbherziges Schrittchen hin zur Digitalisierung. Wer E-Books in Schulen propagiert ist, nicht Digital Native, sondern Digital Naiv.

Seine Kritik beginnt damit, dass E-Books das Lesen nicht verändert haben. Es sind Texte auf einem Reader statt zwischen zwei Buchdeckeln, nicht mehr. All das, was als Enhanced oder Enriched E-Books in den vergangenen Jahren vorgestellt wurde, hat sich nicht durchgesetzt. Selbst für Schulbuchverlage ist die Investition einfach zu hoch und der Erlös nicht der Rede wert. Kein E-Book-Reader kann wirklich sinnvoll Enhanced, und ein Tablet für ein normales Text-E-Book ist wie mit einem Ferrari einen Briefumschlag zur Post fahren.

Ein zweites, wichtiges Gegenargument zieht er aus dem Scheitern der Whiteboards in Schulen: Ohne eingewiesene Lehrer und einem umfassenden pädagogischem Konzept, das die neue Technik in den Schulalltag integriert, wird Innovation nichts. Doch davon sind selbst junge Lehrer und die Lehrerausbildung noch weit entfernt. Wer also Geld aus dem Digitalisierungstopf nimmt und seine Schule mit E-Books und Reader aufrüstet, der kann ohne Konzept und Köpfe das Geld auch als Postwurfsendung an die Nachbarn verteilen. Oder lieber in den vorgeschlagenen wie notwendigen Lesepakt von Kirsten Boie investieren.