Liebe Heike Brillmann-Ede, liebes Eselsohr,

beim Lesen der September-Ausgabe bin ich doch glatt über einen Artikel gestolpert. „Living the Dream“ heißt er und ist das Porträt des kleinen Schweizer Verlages da bux. Dahinter stecken die Autorin Alice Gabathuler, der Journalist und Autor Stephan Sigg und der Autor und Lehrer Tom Zai. Die produzieren zusammengefasst Shortys für leseschwache Jugendliche, vertreiben die direkt und mittlerweile auch über den Buchhandel. So weit, so gut. Doch dann stolpere ich über Formulierungen wie „Alice Gabathuler gilt als Lesestar in der Schweiz“, „Stephan Sigg (…) gilt als echt, spontan und mit einer Zielgruppen-Spürnase gesegnet. (…) Sensibilität und unbedingte Gesprächsbereitschaft gerade in Grenzfragen sind seine Markenzeichen.“ Und immer weiter setzt sich die Lobhudelei fort. Autorin Gabathuler ist grundoptimistisch und mutig und liebt den Seitenwechsel hin zur Lektorin. Tom Zai ist ein Fuchs in Sachen Website bis Schriftenkunde (Schriftgrad & Durchschuss perfekt!) und die Presse macht Stephan Sigg kommunikativ, schnell, weit vernetzt und 24 Stunden online. Diese anschleimende Gefälligkeitsprosa mündet in die beiden Schlusssätze zur Einmaligkeit des Projekts: „…wirkt da bux erfrischend anders: durchdacht, konzentriert, leidenschaftlich. Hier sind drei am Werk, die überzeugen wollen durch Qualität und Augenmaß.“ Spätestens jetzt ist jedes Augenmaß verloren gegangen und der Leser sucht händeringend, aber vergebens den zwingend erforderlichen Schriftzug „Anzeige“ auf dieser Seite.

Nun mag man ja grundsätzlich jeden Leseförderungsansatz für unterstützenswert halten. Aber wenn dabei sämtliche Grundlagen seriösen Journalismus über Bord geworfen werden, fällt das echt schwer. Denn selbstverständlich ist das da bux-Projekt so einmalig nicht, erst vor kurzem hat dtv junior seine Reihe Shorts gestartet, es gibt bei Ravensburger short & easy, bei Carlsen Clips oder auch die K.L.A.R.-Reihe beim Verlag an der Ruhr, die das gleiche wollen und dabei manchmal sogar eine bessere Figur machen. Denn der Fuchs in Sachen Satz und Schriftenkunde nutzt bloß eine schnörkellose Grotesk-Schrift in einer absolut ungebräuchlichen Satz-Software, und ob die Titelgrafik wirklich eine positive Wiedererkennungsgarantie hat und lockt, bleibt dem subjektiven Blick überlassen.

Aber, liebe Heike Brillmann-Ede, es ist nicht nur die oberflächliche Bauchpinselei, die dieses Verlags-Porträt so ärgerlich macht. Ein Blick ins Impressum der da bux-Bücher zeigt, dass ab 2017 Sie für das gesamte Korrektorat zuständig sind. Sie arbeiten also auf freier Basis für den Verlag, den Sie so begeistert porträtieren. Nun ja. Vielleicht ja alles erklärbar, wahrscheinlich haben Sie Alice Gabathuler ja während ihrer Zeit als Lektorin bei Thienemann kennengelernt. Aber moment, gibt es da etwa noch mehr Verbindungen? Aber ja! Denn aktuell arbeiten Sie nicht nur als Journalistin, sondern auch als Leseagentin und vertreten zahlreiche Kinder- und Jugendbuchautorinnen und -autoren. Unter anderem …. Alice Gabathuler. Komisch, oder nicht?