Hanni & Nanni reloaded

Bildschirmfoto 2015-10-04 um 17.36.24Hanni und Nanni stecken mitten in den Wechseljahren: im August wurden sie 50. Solche runden Geburtstage lässt sich kein Verlag entgehen, um durch großartige Aktionen wie günstige Sonderausgaben oder Sammelbände mal wieder den Verkauf der staubigen Backlist anzukurbeln. Doch das reicht mittlerweile nicht mehr aus. Denn wer eine der älteren Ausgaben schon hat, der braucht halt keine zweite oder dritte zum Schnäppchenpreis oder zweite und dritte in einem Band.

Einen zumindest äußerlichen Mehrwert bietet ein Schuss Illustrations-Botox zum Jubiläum. Mathias Weber kolorierte für Thienemann erst den Räuber Hotzenplotz und nun auch Die kleine Hexe von Otfried Preußler nach. Die hat übrigens auch eine eigene Facebook-Seite, denn die „kleine Hexe, die erst einhundertsiebenundzwanzig Jahre alt (war), und das ist für eine Hexe ja noch gar kein Alter“, ist solch neumodischem Firlefanz gegenüber eben sehr aufgeschlossen.

Nun waren auch der Kleinmädchentraum von Hildegard und Renate, die Zwillinge Hanni und Nanni, beim Schönheitschirurgen des Schneider Verlages. Die beiden erlebten sowieso schon eine erstaunliche Transformation, als sie aus einem streng anglikanischen Internat aus dem England der 40er Jahre in ein 60er Jahre-Internat nach Deutschland umgesiedelt wurden. Ganze Kapitel verschwanden, und ganz neumodisch als Vermarktungsschiene erfolgreicher Character wurde die Serie in den 70er Jahren bei uns von unterschiedlichen Autorinnen fortgesetzt.

Pünktlich zum Feierjahr entstiegen die Zwillinge nun einem illustratorischen Jungbrunnen. Eleni Livanios hat die früher Kleider tragenden und ihre Mähne mit einem Haarband bändigenden Mädchen illustratorisch refresht, Eva Schöffmann-Davidov die Reihengestaltung beigesteuert. Recht dezent und damit einen Hauch nostalgisch. Es fällt auch auf, dass die Mädels gefühlt mindestens 1,80 Meter groß sein müssen, bei einem Gewicht von maximal 40 Kilo. Was auch an den extrem langen und schmalen Hälsen liegen kann.

Das war noch nicht alles. Auch textlich wurde aufgehübscht. „Hochmütig“ ist niemand mehr, nur noch arrogant. Mutter und Vater wurden gestrichen, dafür menscheln jetzt Mama und Papa durch den Text. Und das Müttergenesungswerk wurde als nicht mehr zeitgemäß gestrichen. Schade, wo es das Müttergenesungswerk doch weiterhin und ungebrochen gibt. Ob das alles reicht? Um die Texte aus ihrer Verstaubtheit in die Welt der Hanni und Nanni-Verfilmungen zu überführen? Sollte man das mit literarischen Texten überhaupt tun?

Ich warte noch drauf, dass der Karl-May-Verlag zum 125-jährigen Erscheinen von Winnetou 1 eine leicht aktualisierte Fassung auf den Markt bringt. Illustriert von Blexbolex. Mit dem Native American Winnetou. Der nicht mehr reitet, sondern einen SUV mit Hybridantrieb fährt. Den ein oder anderen Bison am Veggie Day ungeschoren davonkommen lässt. Statt zu schießen gewaltfrei diskutiert. Und mit Old Shatterhand integrative Projekte in erlebnispädagogischen Waldkindergärten betreut. Howgh!